Programme & Informationen

2023

Montag, 1. Mai 2023, 17 Uhr
Pfarrkirche St. Trudpert, Münstertal
Andrew Dewar, Orgel

BACH & REGER

zum 150. Geburtstag von Max Reger 


HAUPTORGEL:

Johann Sebastian Bach (1685-1750) 

Alla breve, BWV 589 

 

Präludium d-Moll, BWV 539, 1

Triosonate Nr. 3 Adagio e dolce, BWV 527, 2

Max Reger (1873-1916) 

Reger 2. Sonate 1. Satz Op. 60, 1 

 

 

CHORORGEL:

Max Reger 

Trio Nr. 2 Gigue Op. 47, 2

Johann Sebastian Bach

Christ ist erstanden, BWV 627

Max Reger 

Trio Nr. 3 Canzonetta Op. 47, 3 


HAUPTORGEL:

Johann Sebastian Bach 

Präludium e-Moll, BWV 548, 1

Max Reger 

Hallelujah! Gott zu loben Op. 52, 3 

Ob Johann Sebastian Bachs große Choralbearbeitungen im 18. Jahrhundert oft im Gottesdienst erklangen, möchte man bezweifeln; selbst wenn wir unsere heutigen liturgischen Gepflogenheiten beiseitelassen und von mehr Zeit für die Feiern ausgehen. Die komplizierte Struktur etwa von „Allein Gott in der Höh‘ sei Ehr‘“ lässt eher an eine kontrapunktische Studie denken, die sich an Bachs Triosonaten orientiert. Interessant ist dabei, dass die zweite Stimme zunächst in gleicher Klangfarbe der ersten folgt, als Kanon um eine Quarte abwärts versetzt. Später übernimmt die linke Hand den cantus firmus im Tenor auf einer anderen Klaviatur, um sich von dort aus dann wiederum am anfangs begonnenen Trio zu beteiligen. Sämtliche Stimmen sind thematisch aus der Liedmelodie abgeleitet. 

Max Regers Orgelmusik wird selbst nach mehr als 125 Jahren mitunter noch als schwer verständlich wahrgenommen, zumal dann, wenn sie sich nicht auf eine vertraute Melodie bezieht. Dabei bieten die für das heutige Programm ausgewählten Werke wegen ihrer Kürze und ihrer strukturellen Klarheit leichte Zugangsmöglichkeiten zu Regers Konstruktionsprinzipien und Klangvorstellungen.

Bereits die 1902 entstandenen Zwölf Stücke op. 65 vermitteln auf engstem Raum vieles von dem, was Regers Orgelmusik von derjenigen seiner Zeitgenossen unterscheidet: sachte ausschwingende Melodien, bizarre Harmonik mit überraschenden Umdeutungen der Akkorde, massige Schichtungen und vor allem eine extreme dynamische Bandbreite vom gerade noch wahrnehmbaren pppp bis zum Tutti. Sowohl die Rhapsodie als auch die Consolation folgen dem Formschema A-B-A. Die Erstere weist einen zurückhaltenden Mittelteil auf, während die Rahmenteile durch das Crescendo gekennzeichnet sind. In der Consolation wird die Cantilene des Beginns zum Schluss in einer verkürzten Reprise erneut aufgegriffen, wo sie dann aufwärts oktaviert, nach oben zu verschwinden scheint.

Unter Regers so genannten „großen Orgelwerken“ dürfte die Fantasie und Fuge d-Moll op. 135b die am leichtesten erfassbare Gliederung aufweisen: Modulartig wechseln in der Fantasie Laufwerk und akkordische Abschnitte, die in ihrer Klangfarbe und durch die hinzukommende bzw. pausierende Pedalstimme gekennzeichnet sind. Die erste Fuge ist fünfstimmig und erstreckt sich in gemessenem Tempo über ein ausgedehntes, im pppp beginnendes Crescendo. Ihr Thema ist kreuzförmig angelegt und erinnert mit seiner Chromatik an das B-A-C-H-Motiv. Auch die zweite, vierstimmige Fuge öffnet sich dynamisch, allerdings auf der Basis des mf bis hin zum vollen Werk. Das Thema ist hier rhythmisch stark, fast marschartig gegliedert. Diese Doppelfuge enthält weder Zwischenteile, noch die für Reger typischen eingestreuten Klangkaskaden; vielmehr werden die Themen äußerst konsequent durchgeführt, was eine sehr hohe Stringenz bewirkt. – Das Werk ist ein regelrechtes „Lebens-Resümee“, da Reger darin direkt oder indirekt mehrere Themen aus früheren Werken aufgreift, die mit wichtigen Ereignissen seiner Biografie verbunden sind. Es ist „Meister Richard Strauß in besonderer Verehrung“ gewidmet und wurde am 11. Juni 1916 in der Stadthalle Hannover uraufgeführt. 

Sonntag, 7. Mai 2023, 17 Uhr
Pfarrkirche St. Martin, Staufen
Gerhard Gnann, Orgel


BACH & RINCK 



Johann Christian Heinrich Rinck (1770-1846) 

Maestoso (aus dem Orgelkonzert Nr. 2 c-Moll) 

 

Choral und Variationen über „Straf mich nicht in deinem Zorn“ 

 

Finale (aus dem Orgelkonzert Nr. 2 c-Moll) 

 

 

Johann Sebastian Bach (1685-1750) 

Duetto III G-Dur, BWV 804 

 

Präludium und Fuge e-Moll, BWV 533 

 

Partite diverse sopra 

„Ach, was soll ich Sünder machen“, BWV 770 

 

 

Johann Christian Heinrich Rinck 

Adagio C-Dur, Op.57, Nr.5 

 

Aus dem Flötenkonzert in F-Dur 

3. Satz: Rondo. Allegretto 

 

 

Johann Sebastian Bach 

„An Wasserflüssen Babylon“, BWV 653 

 

Fuge G-Dur, BWV 577

Die Beziehung von Johann Christian Heinrich Rinck zu Johann Sebastian Bach lässt sich leicht nachvollziehen: Der aus einer thüringischen Lehrerfamilie stammende Rinck erhielt mit 16 Jahren Unterricht bei Johann Christian Kittel, einem der letzten Bach-Schüler. Die polyphone Satzweise und die intensive Beschäftigung mit dem protestantischen Kirchenlied sollte Rinck in seinem gesamten Œuvre beibehalten. Im Gegensatz zu Bach wurde Rinck jedoch bereits zu Lebzeiten weltweit berühmt. Ab 1805 war er Organist an der Stadtkirche in Darmstadt, bald darauf Hoforganist und Kammermusiker von Großherzog Ludwig I. von Hessen-Darmstadt; diese Position bot ihm weitreichende Kontakte. Darüber hinaus wirkte Rinck am Darmstädter Pädagogium, dem späteren Ludwig-Georgs-Gymnasium als Musiklehrer und war gefragter Orgelsachverständiger. Er wusste also genau, welche Literatur auf den damaligen Orgeln in den evangelischen Kirchen Mitteldeutschlands von den auf unterschiedlichem Niveau ausgebildeten Kräften realisierbar war. Dies spiegelt sich exakt in Rincks zahlreichen Orgelkompositionen; ihr Spektrum reicht von Sammlungen mit schlichten Choralsätzen und Intonationen bis hin zu ausgedehnten und technisch anspruchsvollen Concerti.

Wesentlichster Faktor für Rincks unglaubliche und bis um 1920 anhaltende Popularität war jedoch gewiss seine Fähigkeit, barocke Stilelemente kongenial mit jenen der Klassik und der frühen Romantik zu verbinden. So erinnern Maestoso und Finale aus dem Orgelkonzert in c-Moll deutlich an die Klaviersonaten Ludwig van Beethovens, während das Rondo aus dem Flöten-Concert für die Orgel mit seinen filigranen Solo-Abschnitten auch als Schlusssatz bei Mozart oder Haydn stehen könnte. Mit seiner einzigartigen Stilsynthese traf Rinck nicht nur den Geschmack des damaligen Publikums, sondern erfreut bis heute die Hörer, wie das seit einigen Jahrzehnten wieder verstärkte Interesse an seinen Werken beweist.

Die Quellenlage für die Fuge BWV 577 ist ungünstig; sofern Johann Sebastian Bach tatsächlich der Autor ist, wäre diese Fuge in G-Dur in seine Mühlhauser oder Arnstädter Zeit zu datieren und dem Einfluss Buxtehudes zuzuordnen. Wie sehr die Gigue vor allem dem Cembalo zugedacht war, erkennt man daran, dass Bach das Thema fast unmerklich abändern musste, um es auf dem Orgelpedal überhaupt ausführen zu können. Eine weitere Besonderheit sind die nach französischer Manier in die Fugenkonstruktion eingestreuten Echo-Stellen. Die Herausforderung für den Interpreten besteht darin, etwaige Manualwechsel oder eine geeignete Artikulation bei flottem Tempo so auszutarieren, dass der Echo-Effekt eintritt, jedoch der Atemfluss des gesamten Satzes nicht unterbrochen wird.

BACH & BIKES

14. Mai 2023 – WANDELKONZERT IM DREISAMTAL
Start: 14:30 Uhr / Bahnhof Kirchzarten

Was wir heute Event nennen, hätte Johann Sebastian Bach vielleicht als Kurzweil oder Ergötzung bezeichnet: sich zweckfrei ganz etwas Schönem hingeben. Genau dazu lädt diese kleine Radtour ein: die Anmut unserer Landschaft, die wohltuende Atmosphäre verschiedener Kirchenräume und die anregenden Klänge von Orgelmusik zu genießen. – Nicht immer findet es Zustimmung, wenn der ehrwürdige Bach mit gefälliger, ja sogar populärer Musik in Verbindung gebracht wird. Unsere heutige Veranstaltung ist jedoch hierzu ein geeigneter Weg: Gefällig ist Bachs Musik allemal; zweifellos verträgt sie die Nachbarschaft von Werken, die auf sie Bezug nehmen und obendrein noch neue Kreise für die Orgel begeistern.




Sonntag, 14. Mai 2023
Pfarrkirche Mariä Krönung, 
Oberried Karin Karle, Orgel


BACH & BIKES I 



Johann Sebastian Bach (1685-1750)
Präludium G-Dur, BWV 541,1

Robert Schumann (1810-1856)
aus: Waldszenen, op. 82:
Einsame Blumen
(eingerichtet für Orgel von Severin Zöhrer)

aus: Sechs Fugen über BACH, op. 60: Nr. I

aus: Sechs Stücke in kanonischer Form, op. 56: Nr. V

Johann Sebastian Bach
Fuge G-Dur, BWV 541,2

Der frühere Überlinger Münsterorganist, Anton Johannes Schmid, meinte einmal: „Bachs G-Dur spiel‘ ich Dir runter, wie wenn ich Rad fahr‘!“ – Das quirlige G-Dur-Präludium und die dazu gehörende tänzerische Fuge sind tatsächlich herrliche Beispiele dafür, dass Johann Sebastian Bach auch eine andere Sprache beherrscht – jenseits von Strenge und Gelehrsamkeit. Allerdings gewährt er nur selten Einblick in die wohl wenigen ganz unbeschwerten Phasen seines Lebens wie etwa die seiner Aufenthalte an den Höfen zu Weimar und Köthen, wo seine Kunst wertgeschätzt wurde. Außerdem war es damals nicht üblich, sich in seinen Kompositionen über persönliche Empfindungen zu äußern, schon gar nicht überschwänglich.

Ein Publikumsmagnet mit Erfolgsgarantie ist es seit dem 19. Jahrhundert stets, eingängige und daher dem Publikum vertraute Stücke vor allem aus der Klaviermusik auf die Orgel zu übertragen. Geradezu ein Paradebeispiel hierfür ist die Einrichtung der „Einsamen Blumen“ aus Robert Schumanns Waldszenen durch Severin Zöhrer. Man ist geneigt, die duftigen Melodiebögen mit dem damals gebräuchlichen Attribut „im Volkston“ zu versehen; sie sind mit dem aus der Mode geratenen Begriff anmutig wohl treffend charakterisiert. Die lauschige Szene ist der Oberrieder Orgel (im Kern entstanden zu Lebzeiten Schumanns) mit ihren dezenten Streicher- und Flötenstimmen regelrecht auf den Leib geschrieben.

Sowohl mit seinen Fugen über BACH als auch mit den Canonischen Studien dokumentiert Robert Schumann wiederum seine intensive Beschäftigung mit älterer Musik im Allgemeinen und dem Werk Johann Sebastian Bachs im Besonderen. Die letztgenannte Sammlung ist für die Aufführung am heute seltenen Pedalflügel gedacht, der seinerzeit vielfach als Übe-Instrument in Gebrauch war; somit war man von winterlich unwirtlichen Kirchen und Bälgetretern unabhängig. Die zusätzliche Klangebene des Pedals erlaubt es außerdem, kontrapunktisch eigenständige Stimmen in Tenor- oder Basslage stärker hervorzuheben, wie dies in der Orgelfassung der marschartigen Nr. V aus den Canonischen Studien leicht herauszuhören ist.

Sonntag, 14. Mai 2023
Pfarrkirche St. Blasius, Buchenbach
Johannes Götz, Orgel


BACH & BIKES II 

zum 200. Geburtstag von Jaques Nicolas Lemmens



Jaques Nicolas Lemmens (1823-1881) 

Fanfare – Cantabile – Prélude 

 

Johann Sebastian Bach (1685-1750) 

Passacaglia c-Moll, BWV 582

„Niemand, der Lemmens hörte, kann die Klarheit, die Kraft, die Großartigkeit seines Spiels vergessen – den kleinsten Details gab er Gewicht, doch ohne jemals das Stück als Ganzes aus den Augen zu verlieren.“ (Charles-Marie Widor über Jaques Nicolas Lemmens‘ Orgelspiel)

Ähnlich wie bei Johann Christian Heinrich Rinck beruht auch das Erfolgsrezept von Jaques Nicolas Lemmens nicht auf vordergründigen Effekten, sondern auf intensivem Studium bester Kompositionskunst, gepaart mit sicherem Gespür für Eingängiges. Beredtes Zeugnis hierfür sind die drei beliebten Sätze Fanfare, Cantabile und Pélude: Die mitreißend-aufstrebenden Motive von Fanfare sowie deren Motorik sind die geeignete Musik für eine Radtour im Frühling durch unsere schöne Landschaft.

Lemmens war während seiner Ausbildung am Konservatorium in Brüssel durch den Bach-Forscher François-Joseph Fétis in die Orgelkunst des Thomaskantors eingeführt worden. Fétis schickte Lemmens sodann zu Adolf Friedrich Hesse (dem so genannten „schlesischen Bach“), auf dass er sich vor allem im Pedalspiel vervollkommne. – Man nahm also durchaus weite Wege und sicher manche Strapazen in Kauf, um sich bei unmittelbar im Umkreis der neu erstarkten Bach-Pflege in Deutschland über diese hohe Kunst des Orgelspiels zu informieren.

Bewegung in Form des Schreitens signalisiert bereits die Bezeichnung Passacaglia, abgeleitet vom Tanz-Schritt. In Zweitongruppen gegliedert schreitet das Motiv, das Bachs ausgedehntem Werk zugrunde liegt, voran. Rhythmische Steigerung wird erreicht, indem die Unterteilung von größeren zu immer kleineren Notenwerten voranschreitet. Somit fügt sich auch diese genuin kontrapunktische Komposition in unser heutiges Thema „Bewegung“.

Sonntag, 14. Mai 2023
Pfarrkirche St. Gallus, Kirchzarten
Karin Karle und Johannes Götz, Orgel


BACH & BIKES III



Johann Sebastian Bach (1685-1750) 

Toccata in d („dorische“), BWV 538 

 

Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) 

Fantasie f-Moll, KV 594 

vierhändig eingerichtet von Martin Haselböck 

 

Johann Sebastian Bach 

Fuge d-Moll BWV 539, 2

Hartnäckig hält sich für die Toccata (BWV 538) die im 19. Jahrhundert durch Philipp Spitta eingeführte, unzutreffende Bezeichnung „dorische“; sie mag lediglich zur Unterscheidung des ebenfalls in d stehenden weitaus bekannteren Satzpaares (BWV 565) dienen, das die wohl berühmteste aller Toccaten enthält. Moll-Tonarten wurden bis weit ins 18. Jahrhundert mit einem Vorzeichen weniger als heute üblich versehen, so dass d-Moll in den frühen Bach-Quellen ohnejegliche b-Vorzeichnung erscheint; dies wurde von Bach selbst später korrigiert. Viele Vertreter der Musikwissenschaft glaubten, in dieser älteren Notationspraxis einen Hinweis auf eine andere Tonarten-Charakteristik zu erkennen. – In dieser Toccata hat Bach die Manualwechsel genau eingezeichnet. Anders als bei Adaptionen von Concerti mit ihren Tutti- und Ripieno-Abschnitten sind hier zwei dynamisch gleichberechtigte, aber farblich nuancierte Klangkörper gemeint, die durch den in unveränderter Lautstärke durchlaufenden Pedalpart verbunden sind. 

Satzpaare frei zu kombinieren, war zur Bach-Zeit eine gängige Praxis, deren Wiederbelebung inspirierende Werkkombinationen ermöglicht – erst recht, wenn es sich um eine so originelle, geradezu konzertante Fuge wie BWV 539 handelt. Sie ist mehr als eine bloße Bearbeitung der bekannten Fuge g-Moll aus Bachs Sonate für Violine solo. Stimmenzahl und polyphonem Spiel sind auf einem Solo-Streicherinstrument Grenzen gesetzt. Dagegen ist die Orgelversion fünfstimmig und verfügt über eine gekonnt eingerichtete Pedalstimme sowie weitere Zusätze. Bemerkenswert ist der starke Kontrast zwischen den eng geführten Blöcken des Hauptthemas und den ausgedehnten Abschnitten ohne Bezug zu diesem. Da von Bach auch eine Adaption auf die Laute bekannt ist, liegt der Vermutung nahe, dass er mit diesem prägnanten Thema von Anfang an mehr vorhatte.

„Ja, wenn es eine große Uhr wäre und das Ding wie eine Orgel lautete, da würde es mich freuen; so aber besteht das Werk aus lauter kleinen Pfeifchen, welche hoch und mir zu kindisch lauten.…“. Wolfgang Amadeus Mozart war offenbar mit den begrenzten Möglichkeiten der damaligen Walzenorgeln nicht zufrieden und wünschte sich einen volleren Klang. Nicht nur ihm ging es so, und es verwundert daher nicht, dass sich dieses gerne gehörte Werk schon seit längerem einen festen Platz im konzertanten Literaturkanon der Organisten erobert hat. Die Interpreten müssen dabei Tonfolgen umsetzen, die eben ursprünglich für die „Maschine“ und nicht für die menschlichen Extremitäten gedacht waren. Deshalb sind Live-Aufführungen von Musik für Flötenuhren nach wie vor gefürchtet. Der technischen Herausforderung begegnen versierte Interpreten mit flinken Fingern und Füßen. Schwieriger ist es, eine Artikulation zu realisieren, die eine gute Balance zwischen dem eigentümlichen Flair eines mechanischen Spielwerks und natürlichem Atemfluss erreicht. Die Einrichtung für vier Hände und Füße erleichtert dies keineswegs, da sie noch mehr Koordination erfordert als die Solo-Aufführung. Solche Experimente und Späße waren im 18. Jahrhundert nicht selten. Wie hätte sich wohl Mozart in der deftigen Sprache seiner Briefe über dieses Ereignis ausgelassen? Vielleicht kommt ein solcher Fund noch als Licht.

Sonntag, 21. Mai 2023, 17 Uhr

Pfarrkirche St. Martin, Freiburg

Studierende der Staatlichen Hochschule 

für Musik Freiburg



BACH & Improvisation 



Johann Sebastian Bach (1685-1750) 

Präludium und Fuge a-Moll, BWV 543 

David Kiefer, Orgel 

 

 

Johann Sebastian Bach 

Triosonate Nr. 3 d-Moll, BWV 527 

Andante – Adagio e dolce – Vivace 

Vincent Knüppe, Orgel 

 

 

Johann Sebastian Bach 

Toccata F-Dur, BWV 540 

Niklas Jahn, Orgel 

 

 

Die Improvisationsaufgaben werden eine Woche vor dem Konzert gestellt.

Bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts bildete die überwiegend in zunftmäßiger Manier durch „Meister“ vermittelte Improvisationskunst das Rückgrat der Musik für Tasteninstrumente. Noch Wolfgang Amadeus Mozart betrachtete es als eine Art Sport, seinen prominenten Zuhörern Fugen aus dem Stegreif „vorzureiten“. Papier, erst recht beschriebenes und bedrucktes, war extrem teuer. Daher waren die Auflagen klein und nur in Ausnahmefällen für die Verleger rentabel. – Auch die meisten Orgelwerke von Johann Sebastian Bach basieren auf Improvisationen; viele von ihnen wurden erst später fixiert und ausgearbeitet. Denkbar ist eine solche Genese etwa für die F-Dur-Toccata, deren virtuoses Passagenwerk und akrobatische Pedalsoli ihre Ursprünge kaum am Schreibtisch haben dürften.


Als sich Ende des 18. Jahrhunderts die bürgerliche Musikkultur, insbesondere das Klavierspiel, in weiteren Kreisen etablierte, stieg die Nachfrage nach gedruckter Literatur. An den Schritt für Schritt institutionalisierten Ausbildungsstätten kehrte sich allmählich das Verhältnis um: Bis zur Jahrtausendwende wurde dort vorrangig Orgel-Literaturspiel gelehrt. Die Improvisation führte in der professionellen Musikausbildung lange Zeit ein Schattendasein und galt neben dem Pflichtprogramm als eine von wenigen Spezialisten gepflegte Kür. Eine Ausnahme bildete Frankreich, wo die Orgel-Improvisation stets hohes Ansehen genoss, deshalb auch professionell und konsequent gelehrt wurde.


Seit 2017 gibt es an der Hochschule für Musik in Freiburg erstmals im Rahmen des Studiengangs Master Musik ein Hauptfach-Modul über vier Semester, das sich ausschließlich der Orgel-Improvisation in ihren differenzierten Ausprägungen widmet. Hierzu gehören sowohl die freie Improvisation als auch diejenige nach thematischen oder formalen Vorgaben in verschiedenen Stilen. Zu den großen Formen zählen etwa Partiten, Suiten, Passacaglia oder Orgelsinfonien nach französischem Vorbild; auch Improvisation zu Stummfilmen, Texten, Bildern, Live-Performances, gemeinsam mit anderen Instrumentalisten, werden behandelt. In Kürze wird es in Freiburg auch einen Abschluss „Konzertexamen“ in Orgel-Improvisation geben.


Wie inspiriert Improvisationen ausfallen, hängt wesentlich von zwei Faktoren ab: Wie genau gibt man formale und stilistische Rahmen vor und wann wird das Thema bekannt gegeben? Zu rigide Prämissen führen allzu leicht zu kalkulierbaren musikalischen „Stilmöbeln“; zu freie Handhabung gar ohne Thema, birgt die Gefahr der Beliebigkeit. Das „Freiburger Modell“ sucht nach einem guten Mittelweg.


Die Interpreten des heutigen Konzerts stellen gleichsam Früchte des neuen Studiengangs vor, der die über Jahrhunderte gepflegte und bewährte Kunst der Orgel-Improvisation nun adäquat in der akademischen Lehre berücksichtigt und mit neuem Leben füllt.

Pfingstsonntag, 28. Mai 2023, 17 Uhr
Barockkirche St. Peter
Happy Birthday Ligeti!
Ein Wandelkonzert zum 100. Geburtstag von György Ligeti in Barockkirche und Fürstensaal St. Peter

Geneviève Strosser, Viola
Frederike Möller, Klavier und Moderation
Johannes Götz, Orgel und Cembalo


BACH & LIGETI 



BAROCKKIRCHE

 

Johann Sebastian Bach (1685-1750) 

Pfingstchoral „Komm, Gott, Schöpfer, Heiliger Geist.“, 

BWV 667 

 

György Ligeti (1923-2006) 

Volumina für Orgel (1962, revidiert 1966) 

 

FÜRSTENSAAL

 

György Ligeti 

Sonate für Viola solo (1991-1994) 

1. Hora lungã 

2. Loop 

3. Facsar 

4. Prestissimo con sordino 

5. Lamento 

6. Chaconne chromatique 

 

Johann Sebastian Bach 

Sonata für Viola und Cembalo, BWV 1027 

Adagio – Allegro ma non tanto – Andante – Allegro moderato 

 

György Ligeti 

aus den Études pour piano (premier livre) 

Nr. 4 Fanfares 

Nr. 5 Arc-en-ciel 

Nr. 6 Automne à Varsovie

Unmittelbar nach den Orgelneubauten in St. Peter (1967) und St. Märgen (1968) traf sich die renommierte Walcker-Stiftung für orgelwissenschaftliche Forschung in erlauchter Runde am 25. bis 27. Januar 1968 im nahen Thurner-Wirtshaus. Anwesend waren bei diesem von Hans-Heinrich Eggebrecht moderierten Kolloquium „Orgel und Orgelmusik heute. Versuch einer Analyse“ der aus Ungarn geflohene Komponist György Ligeti und der auf zeitgenössische Orgelmusik spezialisierte Gerd Zacher, später Leiter der Abteilung für Evangelische Kirchenmusik an der Folkwang-Hochschule in Essen. Seine Einführung zum 1962 als Auftragswerk für Radio Bremen entstandenen Volumina von György Ligeti ist ein idealer Schlüssel, dieses komplexe Werk der neueren Orgelliteratur zu verstehen und zu lieben; Zachers Text sei deshalb auch als wichtiges Zeitdokument wörtlich wiedergegeben.


„Die Volumina von György Ligeti sind ein Werk, das dem Hörer besondere Erfahrungen vermittelt. Denn er ist gewohnt, sich an Rhythmen und Tonhöhe zu orientieren. Rhythmen aber gibt es in diesem Stück nur in des Wortes ursprünglicher Bedeutung als ‚Fuß‘, nicht als ruckartige Bewegung von Zeitpunkten. Tonhöhen treten in solchen Mengen auf, daß sie nicht einzeln definiert, sondern nur als Tongegenden oder Höhenregionen erfaßt werden können. Da so die gewohnten Orientierungsmaße entfallen, wird die Aufmerksamkeit auf etwas neues gelenkt: auf die Klangfülle, die ‚Volumina‘. Die Qualität der einzelnen Register, ihre Klangfülle, dazu die Menge der gleichzeitig erklingenden Töne, dazu die Regionen von Höhe und Tiefe, welche die Fülle verändern, – all das wird sinnfällig. Der Hörer achtet auch auf die Spielgeschwindigkeit; je länger Akkorde ausgehalten werden, umso fülliger werden sie; gesteigertes Tempo, Staccatospiel und größere Pausen dagegen verringern das Volumen. Hinzu kommen die Möglichkeiten, durch Jalousieschweller und (am Schluss des Stückes) herabgesetzten Winddruck das Klangvolumen zu verringern. So rücken Klangfülle und Klangfarbe – Qualitäten, die in der herkömmlichen Musik zwar beachtet wurden, aber sekundär blieben – als besondere Momente in den Vordergrund.“

Nahezu parallel schrieb György Ligeti in den 1990er-Jahren die sechssätzige Sonate für Viola solo und die Études pour piano. Der Komponist hatte sich inzwischen wieder traditionellen Formmodellen zugewandt. So folgen etwa die wechselnde Tempofolge und die Satzüberschriften der Viola-Sonate barocken Vorbildern. Im Gegensatz zu Voluminaerscheinen hier zeitlich und thematisch 
gut abgrenzbare Motive; besonders deutlich lässt sich dies im Eingangssatz verfolgen. Angeregt wurde Ligeti zu dieser Komposition für Viola solo durch Tabea Zimmermann, deren Spiel er im Rundfunk hörte; ihr widmete er auch den letzten Satz, eine von reicher Chromatik durchsetzte Chaconne.


In der Genre-Tradition von Frédéric Chopin, Franz Liszt, Claude Debussy und Alexander Scrjabin stehen Ligetis Études pour piano, befassen sich jedoch mit neuen Klaviertechniken. Ligeti schreibt in seiner Einführung: „Es sind virtuose Klavierstücke, Etüden im pianistischen wie kompositorischen Sinne. Sie gehen stets von einem sehr einfachen Kerngedanken aus und führen vom Einfachen ins Hochkomplexe.“– Die hier ausgewählte Sequenz der Nummern 4-6 ergibt zusammen fast wieder eine Konzertform. Kerngedanke in Fanfares ist der rasche Rollentausch der Motive im polyphonen Satz. Begrenzte Melodiebögen kennzeichnen Arc-en-ciel, womit auch der Regenbogen assoziiert werden kann. Automne à Varcovie zeichnet nicht etwa eine melancholische Herbststimmung nach; vielmehr ist Ligetis äußerst virtuose Studie eine Hommage an
den Warschauer Herbst, ein jährliches Festival für zeitgenössische Musik und zugleich eine Widmung an seine polnischen Freunde.

2022

Sonntag, 1. Mai 2022, 17 Uhr
Pfarrkirche St. Trudpert, Münstertal
Stephan Rahn, Orgel

Johann Sebastian Bach
Goldberg-Variationen, BWV 988 



Clavier Übung bestehend in einer Aria mit verschiedenen Veränderungen vors Clavicimbal mit 2 Manualen. Denen Liebhabern zur Gemüths-Ergetzung verfertiget …

Erst nachträglich wurden Bachs Goldberg-Variationen als Vierter Teil der Clavier-Übung gezählt. Dabei umfasst der Begriff Übung weit mehr als perfekte Technik und Fingerfertigkeit. Gemeint ist damit vielmehr, kompositorische Strukturen – hier Bachs kontrapunktischen Kosmos – intensiv zu studieren und in möglichst vielen Facetten zu erkennen. Der Untertitel wirkt mit der fast beiläufigen Bemerkung „Aria mit verschiedenen Veränderungen“ untertrieben: Aus gerade zweimal vier Takten eines seit der Renaissance bereits unzählige Male variierten Bass-Motivs (genauer: einer Kadenz) generiert Bach nahezu eine Stunde vielfältigster Musik. Hernach hat gewiss niemand den Eindruck, er habe lediglich eine Folge von Variationen gehört. Bach hat nur wenige Lied-Variationszyklen geschrieben, diese allerdings sind erlesene Kunstwerke. „Verschiedene Veränderungen“ ist hier keine Dopplung barocker Sprach-Opulenz, sondern weist auf die stilistische Bandbreite der mit Variationen lediglich angedeuteten „Veränderungen“.


Bereits bei der Aria lässt sich trefflich darüber streiten, ob diese Sarabande mit ihren hoch komplizierten Ornamenten noch Thema oder nicht doch schon eine ungemein artifizielle Ausgestaltung jener absteigenden Bassfigur ist, die unter anderem Georg Friedrich Händel zu seiner berühmten G-Dur-Chaconne inspirierte. Schon innerhalb dieses äußerst zarten Satzes variiert Bach die Grundfigur. Umso mehr entfernen sich die nachfolgenden Veränderungen: Übliche Kategorien von cantus firmus- oder Figural-Variation greifen hier zu kurz; allenfalls der Terminus „Charakter-Variation“ mag andeuten, wohin die musikalische Reise geht – etwa nach Frankreich mit einer „Ouverture“ mit ihren typischen scharfen Punktierungen. Diese Variation 16 bildet die Symmetrieachse des Zyklus und eröffnet dessen zweiten Teil. In anderen Abschnitten werden Taktart, Tonart und Satzweise zum Teil so stark abgewandelt, dass eine Rückführung auf den Anfang vom bloßen Hören schwierig ist. Teilweise verlangt Bach eine zweite Klaviatur, womit er Einzelstimmen dynamisch und artikulatorisch hervorhebt. Daher bietet es sich geradezu an, dieses geniale Werk für die verschiedenen Klangebenen, für die wechselnden Registrierungen der Orgel und die gegenüber einem Kammermusiksaal anderen Raumwirkungen einzurichten. Durch Bearbeitung und Interpretation entstehen somit Variationen der Variationen.


Ein Höhepunkt ist das Quodlibet in der 33. Veränderung. Um diesen Höhenflug wieder zu erden, empfiehlt es sich, am Schluss die grazile Aria zu wiederholen.


Selbstverständlich hat Bach in das monumentale Werk eine Unzahl kontrapunktischer Finessen eingebaut: Kanons in verschiedenen Abständen, Spiegelungen und Krebsgänge des Themas sowie Verkürzungen und Verlängerungen. Genau betrachtet, ist jede Variation eine eigenständige Komposition mit vielen austarierten Proportionen und Symbolen. Zugleich stehen die Variationen untereinander in exakt berechneten Verhältnissen. So erfährt das Gesamtwerk eine Dramaturgie, die nicht nur in der Theorie vollkommen, sondern auch ein ungemein erfrischender, immer wieder überraschender Hörgenuss ist. Eben dies meint der zweite Teil des Untertitels mit der für uns ungewohnten Wendung „Denen Liebhabern zur Gemüths-Ergetzung“. Man muss also nicht Musiktheorie studiert haben – an Bachs Goldberg-Variationen kann und soll sich jeder schlicht und buchstäblich ergreifend – durch eigenes Spiel – freuen.


Ob Bachs Schüler Johann Gottlieb Goldberg dem an Schlafstörungen leidenden russischen Gesandten am Dresdner Hof, Reichsgraf Hermann Carl von Keyserlingk, 1741 tatsächlich diese edlen Klänge als Beruhigungsmittel gereicht hat, kann dahinstehen. Die laut Bestellung „sanfte und etwas muntere“ Musik taugt als Therapeutikum allemal, sei es, um ein Gemüt zu besänftigen oder um es aufzurichten

Sonntag, 8. Mai 2022, 17 Uhr
St. Johann, Freiburg
Schola, Leitung: Stephan Rahn
Gerhard Gnann, Orgel

Bach und Guilain


Johann Sebastian Bach (1685-1750)

Toccata und Fuge C-Dur, BWV 566


„Wer nur den lieben Gott lässt walten“, BWV 642 

aus dem Orgelbüchlein


Jean-Adam Guilain (1680-1739)

Suite de premier ton pour le Magnificat


Plain jeu

Duo

Trio

Tierce en taille (du Mage)

Basse de trompette

Récit

Grand jeu (du Mage)


Johann Sebastian Bach

Triosonate C-Dur, BWV 529


Passacaglia c-Moll, BWV 582

Warum ist in der älteren Orgelliteratur die grifftechnisch angenehme Tonart E-Dur so selten? Die ungleichstufige Teilung der Oktave (Temperierung) ergab für entlegene Akkorde scharfe Reibungen. Nach und nach gelang es jedoch, das Gefälle im Quintenzirkel abzumildern, so dass auch E-Dur praktikabel war. Dies musste der junge Bach in einem großen Praeludium voll ausreizen – mit wildem Passagenwerk, harmonisch gewagten Akkordblöcken, Pedalsoli und gleich zwei Fugen unterschiedlichen Charakters, gewonnen aus einem einzigen Motiv. Offenbar war dieser Wurf so gelungen, dass es schon im 18. Jahrhundert Abschriften von BWV 566 in C-Dur gab; man war somit nicht auf die neueste Stimmungsart angewiesen.


Und wer war Jean-Adam Guilain? 1702 ließ er sich in Paris nieder und befreundete sich mit Louis Marchand, jenem Cembalo-Virtuosen, der gegen Johann Sebastian Bach 1717 in Dresden zum musikalischen Wettstreit antreten sollte. Von Guilain sind nur wenige Werke überliefert – und diese nur unvollständig, so auch seine Suite im 1. Kirchenton zum Magnificat; sie erschien 1706, in demselben Jahr, auf das Bachs großes Praeludium datiert wird. 


Die Titel barocker Orgelmusik aus Frankreich weisen bereits auf Satzstruktur und fixe Registrierungen hin. Beim Plein jeu wird die Melodie, hier der 1. Psalmton, in langen Werten pedaliter mit kräftigen Zungenstimmen gespielt, begleitet vom Prinzipalplenum. Grand jeu vereint hingegen die Zungenregister samt Quinten und Terzen, wobei zwischen den einzelnen Teilwerken der Orgel gewechselt werden kann. Unter Tierce en taille versteht man eine Registrierung, die Quinte plus Terz in der Mittellage führt; Récit zeichnet sich durch Echowirkungen aus.


Der Lobgesang Mariens, liturgisch im Stundengebet der Vesper zugeordnet, dient stets als Paradigma für die musikalische Umrahmung der Psalmen in alternatim-Praxis: Zwischen die gesungenen Verse des Canticums wurden die Orgelstücke alternierend eingefügt. Nicht immer wird dabei der ganze cantus firmus verwendet; gerade in der französischen Orgeltradition wird in den Folgesätzen oft nur ein Motiv oder eben nur die Tonart übernommen. Dieses modulare System erlaubt es außerdem, Sätze anderer Komponisten einzufügen. So erklingen hier Tierce en taille und Grand jeu von Pierre du Mage, einem weiteren Vertreter französischer Orgelkunst aus dem Umfeld von Louis Marchand. – Die Schola stellt die Wirkung der alternatim-Praxis wieder her; die Register der an französischen Vorbildern orientierten Orgel von St. Johann ergeben ein authentisches Klangbild für diese Musik.

Sonntag, 15. Mai 2022, 17 Uhr
Christuskirche Freiburg
Matthias Flierl, Orgel

Bach und Kaminski


Johann Sebastian Bach (1685-1750)

Praeludium und Fuge in D-Dur, BWV 532


Choralbearbeitung

„Wir glauben all an einen Gott“, BWV 680


Heinrich Kaminski (1886-1946)

Choralvorspiel „Wir glauben all an einen Gott“


Johann Sebastian Bach

Choralvorspiel „Vater unser im Himmelreich“, BWV 636

aus dem Orgelbüchlein


Heinrich Kaminski

Choralvorspiel „Vater unser im Himmelreich“


Johann Sebastian Bach

Fantasia C-Dur, BWV 573

Ergänzung und Bearbeitung zum Trio: Ulrich Metzner


Heinrich Kaminski

Choralvorspiel „Morgenglanz der Ewigkeit“


Johann Sebastian Bach

Passacaglia in c-Moll, BWV 582

Heinrich Kaminski stammte aus Tiengen am Hochrhein und wuchs in einem altkatholischen Pfarrhaus auf. Mit seiner eigenen Familie übersiedelte er später nach Benediktbeuren und hatte Kontakt zu Künstlern wie Franz Marc und Emil Nolde. Bekannt wurde er vor allem durch seine Chorwerke und durch seine Kammermusik. Zu seinen berühmtesten Schülern zählte Carl Orff. Heinrich Kaminski schrieb nur wenige Orgelwerke, darunter die 1929/30 entstandenen drei Choralvorspiele in sehr unterschiedlichen Bearbeitungstechniken. Ein durchgehendes Metrum ist in ihnen nur schwer auszumachen; ständig wechseln die Tempi nach genauen Metronomangaben. Hinzu kommen Vorschläge, die teils vor, teils auf der Taktzeit zu realisieren sind. Durch diese freirhythmische Behandlung wird der im Sopran geführte cantus firmus verschleiert, wozu auch die gegenüber der Spätromantik weniger tonartengebundene Harmonisierung beiträgt. „Wir glauben all an einen Gott“ ist vor allem durch die Pedalsoli gekennzeichnet, enthält aber auch abschnittsweise dynamische Extreme in Regerscher Manier. „Vater unser im Himmelreich“ dagegen ist eine ohne Registerwechsel durchkomponierte, zurückhaltende Meditation. Die umfangreichste Bearbeitung dieser Sammlung über „Morgenglanz der Ewigkeit“ gleicht einer mehrteiligen Choralfantasie inklusive groß angelegter Schlussfuge: Vollgriffige und dicht gesetzte Abschnitte im ƒ bis ƒƒ wechseln mit geringstimmigen und leisen Passagen, in denen eine neoklassische Tonsprache zu beobachten ist. Die verzierte Choralmelodie ist in diesem Werk nur zu erahnen.


Die wenigen Takte des fünfstimmigen Fragments von Bachs C-Dur-Fantasie sind ausschließlich im „Clavier-Büchlein vor Anna Magdalena Bachin“ erhalten. Es handelte sich dabei um jene Sammlung, die Bachs zweite Ehefrau neben ihren viel fältigen Aufgaben als Sängerin bei Hofe, als Vorsteherin eines großen Haushalts und als Kopistin selbst 1722 anlegte, kurz nach der prächtigen Hochzeit; in dieses „Notenbüchlein“ trug ihr Mann zur Verbesserung von Anna Magdalenas Klavierspiel und zu ihrer Unterhaltung Stücke wie etwa das bekannte-G-Dur-Menuett ein. Daneben finden sich auch frühe Konzeptschriften, so zu den später als „französisch“ bezeichneten Suiten. In diese Gruppe gehört wohl auch jene C-Dur-Fantasie, die immer wieder zu Ergänzungen anregt. Zu den originellsten Versionen dürfte diejenige von Ulrich Metzner gehören. Sie basiert auf der Ausarbeitung von Hermann Keller, transponiert den Satz nach G-Dur und verwandelt den Pleno-Charakter in ein galant-beschwingtes Trio für zwei unterschiedlich registrierte Manuale und Pedal.

Sonntag, 22. Mai 2022, 17 Uhr
Fürstensaal in St. Peter
Alfonso Gómez, Klavier

Johann Sebastian Bach


Das Wohltemperierte Clavier

Teil I, BWV 846–869 



Das Wohltemperirte Clavier oder Præludia, 

und Fugen durch alle Tone und Semitonia, 

so wohl tertiam majorem oder Ut Re Mi 

anlangend, als auch tertiam minorem oder 

Re Mi Fa betreffend. Zum Nutzen und 

Gebrauch der Lehrbegierigen Musicalischen 

Jugend, als auch derer in diesem studio 

schon habil seyenden besonderem 

Zeitvertreib auffgesetzet und verfertiget 

von Johann Sebastian Bach. 

p. t: Hochfürstlich Anhalt-Cöthenischen 

Capel-Meistern und Directore 

derer Camer Musiquen. 

Anno 1722.

Wie hätten Sie Bachs Wohltemperiertes Clavier denn gern – auf Cembalo in wohltemperierter Stimmung, auf dem modernen Konzertflügel gleichstufig temperiert, am Stück oder nur eine Auswahl, vielleicht nur das bekannte C-Dur-Praeludium mit Charles Gounods „Ave Maria“? In der Tat ist es nicht einfach, diese großartige Sammlung geistig zu erfassen und ihr aufführungstechnisch gerecht zu werden. „Wohltemperiert“ ist ein Sammelbegriff für die um 1700 entwickelten Lösungen, die Schärfen der mitteltönigen Einstimmung zu mildern: Die ungleichen Schritte der Tonleiter wurden nun so berechnet, dass allzu unreine Akkorde vermieden wurden und nun alle Tonarten – wenngleich weiterhin in unterschiedlicher Qualität – spielbar wurden. Es sollte noch ein Jahrhundert dauern, bis die Halbtöne mathematisch gleich eingeteilt wurden. Damit war dann auch die letzte Reibung beseitigt, dafür aber auch einiges an Spannungen dahin.


Dafür erfüllt der Konzertflügel Wünsche, von denen Bach wohl nur in Ansätzen träumte. Hier ist an erster Stelle die dynamische Flexibilität zu nennen. Zwar ermöglichte auch das typische Komponier-Werkzeug der Barockzeit, das Clavichord, Lautstärke und Artikulation äußerst sensibel zu handhaben. Es ist jedoch sehr leise und damit für Aufführungen im größeren Kreis ungeeignet. Der Klang eines Cembalos füllt schon einen mittelgroßen Raum, gerät jedoch in den Extremlagen an Grenzen heutiger Hörgewohnheiten – zumal bei enzyklopädischen Darbietungen. Reizvoll sind auch farbig registrierte Darstellungen auf der Orgel.


Wenn wir nochmals auf die Formeln Zum Nutzen und Gebrauch der Lehrbegierigen Musicalischen Jugend, als auch derer in diesem studio schon habil seyenden besonderem Zeitvertreib im Titel schauen, erschließt sich, weshalb das Wohltemperierte Klavier sich ungebrochener Beliebtheit erfreut; beigetragen hat hierzu nämlich wesentlich die Entwicklung im Klavierbau. Die 48 Sätze sind eben nicht (wie andere pädagogische Werke) bloßes Fingertraining, sondern wenden sich an die Lernbegierigen mit dem Erfolgsversprechen des Wohlklangs. Und „Zeitvertreib“ bedeutet für Bach nicht, irgendeine Wartezeit nur zu überbrücken. Das Wort drückt aus, was er allen seinen Werken mit auf den Weg gegeben hat: zur Ehre Gottes und zur Freude des Menschen. Denn gewiss hilft die herrliche Musik, Unschönes in der (eigenen) Zeit zu ertragen. – Sowohl Üben als auch Hören sollen Freude bereiten. Dazu ist der sonore Klang des Konzertflügels bestens geeignet und eröffnet obendrein Interpretations-Spielräume, die andere Instrumente so nicht bieten können.

Christi Himmelfahrt,
Donnerstag, 26. Mai 2022, 17 Uhr
St. Martin, Freiburg
Vincent Dubois

Bach und Franck


Johann Sebastian Bach (1685-1750)

Praeludium und Fuge Es-Dur, BWV 552


Choraltrio „Herr Jesu Christ, dich zu uns wend‘“, BWV 655

aus: Achtzehn Choräle von verschiedener Art 

(„Leipziger Choräle“)


Praeludium und Fuge e-Moll, BWV 548



César Franck (1822-1890)

Prière, op. 20


Chorale Nr. 3, a-Moll


Improvisation

Auch César Franck befasste sich intensiv mit der Musik Johann Sebastian Bachs und führte dessen Orgelwerke auf. Doch konnten die Erfahrungswelten beider großer Komponisten kaum unterschiedlicher sein, etwa in der Auffassung des Begriffs 
 „Choral“: In der mitteldeutschen Kantorentradition steht er für das protestantische Kirchenlied. César Franck hingegen rezipierte die lateinische Choralpflege der katholischen Liturgie; darüber hinaus prägte ihn das vom Bürgertum dominierte Musikleben im Frankreich des 19. Jahrhunderts in Salons und Konzertsälen. Franck brachte aufgrund seiner Bach-Pflege verstärkt kontrapunktische Elemente in die auf Harmonik ausgerichtete Musik seiner Zeit ein und bediente sich klassischer Satztypen wie Praeludium und Fuge. Dennoch entziehen sich seine Werke weitgehend jenen Betrachtungsmethoden, die man für Barockmusik anwenden würde; Melodieführung sowie Klang- und Raumwirkung treten bei Franck stärker in den Vordergrund.


Dies zeigt der Blick auf die 1860 entstandene Prière (Andacht), die César Franck seinem Lehrer, „Maître François Benoist“ widmete. Es handelt sich dabei um ein durchkomponiertes Stück, das als persönlicher Gottesdienst die Klänge einer „Andacht ohne Worte“ entfaltet. Nach einer manualiter-Einleitung „zündet“ der Achtelauftakt im Pedal einen neuen Themenkomplex. Fortan wird zwischen Solo und Mehrstimmigkeit alterniert, vergleichbar dem Wechsel zwischen Vorsänger und Chor in einer Litanei. Im weiteren Verlauf wird hierzu eine Cantilene mit Echowirkungen verwendet, bevor in einem reprisenartigen Schluss das bisherige musikalische Material rhythmisch und dynamisch gesteigert wird. – César Franck hatte stets auch all jene Organisten im Blick, die zum Teil am Harmonium Dienst taten. Deshalb richtete er viele seiner frühen Werke für beide Instrumente ein. Auch Prière reicht in der homophonen Satzweise und den grundtönigen Registrierungen nahe an den Klang eines großen Kunstharmoniums heran.


Die drei Choräle aus dem Spätwerk sind in breiter Dynamik, Registrierung und ausladendem Gestus auf die sinfonische Orgel zugeschnitten, wie sie Aristide Cavaillé-Coll entwickelt und an Francks Dienstorgel in der Basilika Sainte-Clotilde realisiert hatte. Dennoch bilden sie in ihrer Wirkung – man stelle sich eine von Weihrauch erfüllte Kathedrale im Halbdunkel vor – gleichsam Vergrößerungen der Prière. Das Laufwerk in den Rahmenteilen erinnert an Bachs a-Moll-Praeludium. Die folgenden modalen Themen sind dem Gregorianischen Choral nachempfunden, jedoch im Gewand hochromantischer Harmonisierung. Kontrastierend hierzu ist die abwärts gerichtete Melodie im Mittelteil (Trompetensolo) angelegt.

Sonntag, 29. Mai 2022, 17 Uhr
Friedenskirche, Freiburg
Hee-Jung Min, Orgel

Bach und Mendelssohn


Johann Sebastian Bach (1685-1750)

Toccata F-Dur, BWV 540


Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847)

Sonate Nr. VI d-Moll, op. 65,6


Johann Sebastian Bach

Trio G-Dur, BWV 1027a


Partite diverse sopra il Corale

„O Gott, du frommer Gott“, BWV 767


Felix Mendelssohn-Bartholdy

Variations sérieuses, op. 54

(Bearbeitung: Martin Schmeding)


Johann Sebastian Bach

Fuge F-Dur, BWV 540

Innerhalb der diesjährigen Ausgabe „Mit Bach durch die Regio“ versammelt dieses Programm die meisten Variationswerke, eine gute Gelegenheit, sowohl die einzelnen Sujets als auch die verschiedenen Techniken und Stile des Variierens zu vergleichen. Während Johann Sebastian Bach den von Johann Heermann (17. Jahrhundert) stammenden Text des Gebetsliedes „O Gott, du frommer Gott“ in der gut durchhörbaren, rund 50 Jahre später entstandenen Melodie Strophe für Strophe vielfältig ausdeutet, gleichen Mendelssohns beliebte Variations sérieuses eher einer durchkomponierten, virtuosen Sonate: Bereits das Thema wirkt in der komplexen Ausgestaltung wie eine Bearbeitung seiner selbst. Die Variationen 1 bis 9 mit ihrer zunehmenden Bewegung wären auch als Kopfsatz einer Klaviersonate vorstellbar. Mit der fugierten Variation 10 beginnt ein fiktiver Mittelsatz mit zurückgenommenen Tempi und in verhaltener Lautstärke; aus ihm ragt lediglich Variation 14 wie ein Scherzo en miniature heraus. Ab Variation 16 eilt alles auf das furiose Finale zu. – Martin Schmedings Orgelbearbeitung rückt mit den differenziert angelegten Registerwechseln auch innerhalb der einzelnen Variationen das Werk in die Nähe großer Orgelsonaten oder gar der französischen Sinfonik des späten 19. Jahrhunderts. Streckenweise wird das Thema durch das Arrangement sogar präsenter als bei der Interpretation am Klavier.


Im fröhlich-spielfreudigen Trio BWV 1027a bearbeitete Bach selbst den letzten Satz seiner Sonate für Viola da Gamba und Cembalo. Die Tatsache, dass von diesem Werk außerdem eine Fassung für zwei Flöten und basso continuo existiert, beweist, dass Bach an seiner Schöpfung Gefallen fand. Die Leichtigkeit dieser herrlichen Miniatur zeigt uns den oft als streng vermittelten späteren Thomaskantor, wie er sich wohl in jungen Jahren, etwa im vertrauten Kreis am Hof zu Weimar oder Köthen entspannt dem Musizieren hingeben konnte, unbehelligt von engstirnigen Obrigkeiten.


So sehr Mendelssohns op. 54 an eine Sonate erinnert, so wenig tut es sein als solche betiteltes Orgelwerk op. 65 Nr. 6, das zunächst eine regelrechte Partita enthält: Nach dem Choralsatz des Lutherschen Vater-unser-Liedes, in Anlehnung an klassische Vorbilder gearbeitete cantus firmus-Variationen sowie einer dynamisierenden Fuge in d-Moll folgt jedoch die Überraschung: Das mit „Finale“ überschriebene abschließende Andante ist weder themenverwandt noch apotheotisch, sondern ein schlichter Bittgesang in D-Dur – gleichsam ein Lied ohne Worte für die Orgel.

Pfingstsonntag, 5. Juni 2022, 17 Uhr
Barockkirche St. Peter
Karin Karle, Hae-Kyung Jung, Johannes Götz – OrgelMitglieder des Akademischen Orchesters Freiburg

Orgelkonzerte aus drei Jahrhunderten


Georg Friedrich Händel (1685-1759)

Konzert für Orgel und Orchester Nr. 13 

„Kuckuck und Nachtigall“

Karin Karle, Orgel

Hae-Kyung Jung, Leitung


Josef Gabriel Rheinberger (1839-1901)

Orgelkonzert Nr. 2 g-Moll, op. 177

Hae-Kyung Jung, Orgel

Johannes Götz, Leitung


Francis Poulenc (1899-1963)

Konzert für Orgel, Streicher und Pauke(n) in g-Moll 

Johannes Götz, Orgel

Karin Karle, Leitung

Außer Antonio Vivaldi, Georg Friedrich Händel und Joseph Haydn haben sich nur wenige Komponisten in Barock und Klassik mit Konzerten für Orgel und Orchester hervorgetan. Erst nachdem im späten 19. Jahrhundert in vielen Konzertsälen Orgeln eingebaut waren, wurde das Genre berücksichtigt, wenngleich man etwa in Frankreich diese Besetzung noch im 20. Jahrhundert geringschätzte. – Händel weist der Orgel stets eine klar erkennbare Solofunktion im Wechsel mit dem Kammerensemble zu. Rheinberger hingegen integriert den mittlerweile erweiterten und dynamisch flexiblen Registerfundus in den Apparat des sinfonischen Orchesters; die beiden Klangkörper verschmelzen miteinander.


Das Konzert in g-Moll von Francis Poulenc ist in seiner Gattung ein Unikum – schon der als Solo verlangten Pauke(n) wegen. Es entstand 1936-38 auf Wunsch der Musik-Mäzenin, Prinzessin Edmond de Polignac, einer Erbin des Nähmaschinen-Fabrikanten Isaac Merritt Singer. Poulenc war für den mit Filmmusik beschäftigten Jean Françaix eingesprungen. Die erste Aufführung am 16. Dezember 1938 im Palais Singer-Polignac leitete die große Dirigentin und Komponistin Nadia Boulanger. Bei der Darbietung am 21. Juni 1939 übernahm kein Geringerer als Maurice Duruflé den anspruchsvollen Orgelpart. 


Francis Poulenc war nicht akademisch ausgebildet worden, dennoch Mitglied der legendären „Groupe de Six“. Ihre Mitglieder waren auf der Suche nach einer anti-romantischen Klangsprache und scheuten daher Anleihen keineswegs  – samt der für damalige Verhältnisse schrägen Töne. – Mit seiner Aufgabe tat sich Poulenc schwer, sagte er doch von sich selbst, er kenne künstlerisch „sowohl das Milieu der Pfarrer als auch das der Taugenichtse“. Im Mai 1936 schrieb er an die Prinzessin: „Das Konzert hat mir viel Schmerz bereitet … Es ist nicht vom gefälligen Poulenc des Konzerts für zwei Klaviere, sondern eher vom Poulenc auf den Weg ins Kloster, sehr nach Art des 15. Jh., wenn man so will.“


Das durchkomponierte, in sieben Abschnitte gegliederte Werk im gemäßigt modernen Stil eines großzügig gehandhabten g-Moll knüpft im Sinn des Neobarock an Traditionen des 18. Jahrhunderts an. Im Gegensatz zu diesen verlangt Poulenc jedoch eine große Orgel, die er bald als Gegenpart, bald als Teil des Orchesters behandelt.

2019

Mittwoch, 1. Mai 2019, 17 Uhr
Pfarrkirche St. Trudpert, Münstertal
Anikó Szathmáry/Violine, Mannheim
Olaf Tzschoppe/Schlagzeug, Bremen
Martin Schmeding/Orgel, Leipzig

Bach und Szathmáry


Zsigmond Szathmáry (*1939)

B-A-C-H… Hommage à (1994)

Johann Sebastian Bach (1685-1750)

Fantasie und Fuge g-Moll, BWV 542

Zsigmond Szathmáry

Cadenza con ostinati für Violine und Orgel (1994)

Johann Sebastian Bach

Fantasie c-Moll, BWV 1121

Fuge c-Moll, BWV 574

über ein Thema von Giovanni Legrenzi

Zsigmond Szathmáry

Feuertaufe für Orgel (2004)

Johann Sebastian Bach

Choralvorspiel „Allein Gott in der Höh' sei Ehr'“, BWV 662

Zsigmond Szathmáry

Dies irae – Tage des Zorns

für Orgel und Schlagzeug (2015)

Zsigmond Szatmáry. Magier der Klänge” – So hat Dominik Susteck 2013 die Monographie über seinen Lehrer prägnant und zutreffend überschrieben. Denn wie nur wenige hat sich der Organist, Komponist und Lehrer dafür eingesetzt, die Orgel und Orgelmusik nach vorne zu bringen, ihr neue klangliche Welten zu eröffnen und sie im Musikleben

unserer Zeit zu etablieren – ohne Scheu vor unerhörten Klängen.

Das repressive sozialistische System Ungarns behinderte Szathmárys Entwicklung als Musiker, zumal im kirchlichen Bereich. So blieb nur die Flucht in den Westen, wo er bei Helmut Walcha in Frankfurt studierte, eine der Adressen, an die man sich damals zwecks intensiver Beschäftigung mit Bach wandte. Szathmárys weitere Biographie liest sich wie ein who is who der zeitgenössischen Musik in Europa: Protagonisten wie Karlheinz Stockhausen, Bengt Hambraeus, Gerd Zacher und vor allem sein Landsmann György Ligeti waren seine Partner. Das Interesse, in unkonventionelle Tonräume vorzustoßen, zuvor unbeachtete Kompositionen für die Orgel zu entdecken, klassisches Repertoire geradezu wild zu interpretieren oder außergewöhnliche Besetzungen auszuprobieren,

vermittelte er einer großen Zahl äußerst profilierter Schüler – so über Jahrzehnte als Professor an der Freiburger Musikhochschule und als Dozent internationaler Meisterkurse.

Die Musik Zsigmond Szathmárys spannt einen ungemein weiten Bogen von Bearbeitungen ungarischer Tänze über bewährte Modelle wie Ostinati oder die Tonfolge B-A-C-H bis hin zu abstrakten Werken wie Feuertaufe oder Dies irae. Besonders in letzteren schöpft der Komponist mit großräumigen Klangflächen und neuen Spieltechniken alle Zugriffsmöglichkeiten auf die Orgel aus, steigert sie bis ins Monumentale und setzt sie in Bezug zum Raum und zu anderen Instrumenten wie hier dem Schlagzeug. Auch Geräusche setzt Szathmáry bisweilen ein, wie etwa die Sirene in der Feuertaufe.

Sonntag, 5. Mai 2019, 17 Uhr
St. Bartholomäus, Heitersheim
Hae-Kyung Jung, Freiburg

Bach und Krebs


Johann Ludwig Krebs (1713-1780) 

Präludium et Fuga in C-Dur, KrebsWV 400 

Johann Sebastian Bach (1685-1750) 

Fantasie in c-Moll, BWV 1121 

Johann Ludwig Krebs 

Fantasia in F-Dur, KrebsWV 419 

Fuga in B-Dur (über BACH), KrebsWV 434 

Fantasia à gusto italiano in F-Dur, KrebsWV 422
 

Johann Ludwig Krebs / Johann Sebastian Bach 

„Wir glauben all' an einen Gott“
 

Johann Sebastian Bach 

„Von Gott will ich nicht lassen“, BWV 658 

Johann Ludwig Krebs 

„Von Gott will ich nicht lassen“, KrebsWV 546 

Johann Sebastian Bach 

„Wir glauben all’ an einen Gott“, BWV 681 und 680 

Toccata, Adagio und Fuge in C-Dur, BWV 564

Johann Ludwig Krebs wird immer wieder als Meister- und Lieblingsschüler Bachs bezeichnet. In der Tat reichte die Zusammenarbeit über ein Lehrer-Schüler-Verhältnis hinaus: Bach erteilte Krebs Privatunterricht und stellte dem hoffnungsvollen Nachwuchstalent 1735 ein lobendes Zeugnis aus. Krebs kopierte eifrig Noten für den Thomaskantor. Bereits diese intensive gemeinsame Werkstattarbeit erklärt, weshalb

Zuschreibungen mitunter schwer sind wie bei der Bearbeitung des Chorals „Wir glauben all’ an einen Gott”.

Überdeutlich sind die Ähnlichkeiten in den C-Dur-Werken beider Komponisten: Einer manualiter-Einleitung mit Laufwerk folgt ein virtuoses Pedal-Solo, an das sich ein vollgriffiger Teil anschließt, der das thematische Material blockhaft durch mehrere Tonarten führt. Auch die Konstruktion von Krebs’ Fuge zeigt in ihren Wechseln von

themenbetonten Phasen und Zwischenspielen auffällige Parallelen; das Thema ist jedoch deutlich sanglicher als bei Bach. – Man sieht die beiden vis-à-vis an ihren Pulten. Hat Krebs von Bach kreativ abgekupfert? So manche Passage wirkt etwas einfacher gestrickt als bei Bach, der kaum Verschnaufpausen im strengen Kontrapunkt kennt. Dafür trifft Krebs in Melodieführung und Harmonik den Gusto des galanten Zeitalters, in dem Bach immer wieder als zu schwer und zu rückständig kritisiert wird.

Apropos Gusto: In seiner Fantasia à gusto italiano greift Krebs Merkmale auf, die als italienische Mode damals in vielen pastorellartigen Sätzen vorkamen: Borduntöne, wiegender Rhythmus, empfindsame Melodien. Am schönsten klingt das Stück mit einer langsam schwebenden Stimme gleich der italienischen voce umana.

Sein Traumziel, Bachs Nachfolger zu werden, erreichte Krebs nicht. Ab 1756 wirkte er im thüringischen Altenburg an der vorzüglichen und bis heute erhaltenen Orgel von Heinrich Gottfried Trost – ein Trost, wenn nicht gar ein Jungbrunnen. „Noch als Greis war er Jüngling in der Begeisterung, wenn er vor der Orgel saß,” berichtet ein Mitbürger.

Sonntag, 12. Mai 2019, 17 Uhr
Christuskirche, Freiburg
Jörg Endebrock, Wiesbaden

Bach und Bunk


Johann Sebastian Bach (1685-1750) 

Präludium und Fuge C-Dur, BWV 547 

Gerard Bunk (1888-1958) 

aus Acht Charakterstücke, op. 54 

1. Melodie 

6. Aeolsharfe 

8. Allelujah 

Johann Sebastian Bach 

Fantasia c-Moll, BWV 1121 

Fuga G-Dur „à la Gigue“, BWV 577 

Gerard Bunk

Einleitung, Variationen und Fuge 

über ein altniederländisches Volkslied d-Moll op. 31

Ein frecher Bazi, aber der Junge kann was“, meinte kein Geringerer als Max Reger in für ihn typisch deutlichen Worten, nachdem der eben 22jährige Gerard Bunk sich einen Spaß erlaubt hatte: Als Morgengruß hatte er dem Meister den Anfang seiner B-A-C-H-Fantasie vereinfacht, aber harmonisch korrekt an die Tapete des Hotelzimmers gekritzelt.

Gerard Bunk wuchs in den Niederlanden auf, wo ihm die allgegenwärtigen großen Drehorgeln den Weg zu ihren stationären Schwestern wiesen. Eine professionelle Ausbildung erfuhr der umtriebige Eleve in den Fächern Klavier und Theorie; das Orgelspiel und den souveränen Umgang mit allen erdenklichen Orgeltypen erlernte er größtenteils autodidaktisch sowie durch unzählige Vertretungen und spätere Konzertreisen.

Geprägt durch die Spätromantik komponierte Bunk in deren Geist. Die Verehrung von Max Reger erscheint am deutlichsten in Bunks nicht minder monumentalem Opus 31. Bereits die Folge von Einleitung, Variationen und Fuge lassen das Vorbild bei Reger deutlich werden. Starke dynamische Kontraste, gewagte Modulationen und bombastische Steigerungen sind weitere Kennzeichen jenes ausladenden Stils. Hymnische Akkordfolgen bestimmen erwartungsgemäß das „Allelujah“ aus den Charakterstücken. Andere Teile dieses Zyklus zeigen dagegen eine deutlich lichtere Faktur, die zwar nach wie vor dem impressionistischen Ideal verpflichtet ist, jedoch bereits Bunks Auseinandersetzung mit älterer Musik und der Orgelbewegung verraten.

Gerard Bunk war ab 1925 Organist und Kantor an der Dortmunder Reinoldikirche, wo 1909 Deutschlands größte und wohl modernste Orgel erbaut worden war. An ihrem gewaltigen Spieltisch hatte ihn 1910 Reger überrascht; eine Begegnung mit Albert Schweitzer folgte später. Farben und Größe eines solchen Rieseninstruments muss man

sich für die meisten von Bunks Kompositionen vorstellen. 1926 nahm Bunk an der ersten Freiburger „Tagung für deutsche Orgelkunst“ teil, der er viele Impulse für seine Beschäftigung mit vorbachscher Musik verdankte.

Sonntag, 19. Mai 2019, 17 Uhr
Wallfahrtskirche Maria Lindenberg, St. Peter
Johannes Götz, St. Peter

Bach und Kerll


Johann Caspar Kerll (1627-1693) 

Toccata V 

Canzona III 

Toccata quarta Cromatica con durezze e ligature
 

Johann Sebastian Bach (1685-1750) 

Partite diverse sopra il Corale: 

„Christ, der du bist der helle Tag“, BWV 766 

Fantasia in c, BWV 1121 

Sonata 5 C-Dur à 2 Clav. et Pedal, BWV 529 

Allegro – Largo – Allegro

Johann Caspar Kerll 

Capriccio sopra il Cucu 

Canzona I 

Passacaglia

Vielen gilt Johann Caspar Kerll noch immer als süddeutscher Kleinmeister. Dabei stammte er aus dem vogtländischen Adorf, sprach deshalb zunächst wohl breitestes Sächsisch und war mit der protestantischen Kirchenmusiktradition bestens vertraut; allein dies verbindet ihn mit Johann Sebastian Bach. Aus Karrieregründen konvertierte Kerll zum Katholizismus. Bei Hofe in Wien erkannte man rasch sein Talent und schickte ihn nach Italien zur Ausbildung bei Giacomo Carissimi. Weitere Lebens- und Wirkungsorte waren Brüssel und München.

Kerlls OEuvre umfasst neben gut 50 überlieferten Werken für Tasteninstrumente eine große Zahl an Vokalkompositionen für den gottesdienstlichen Gebrauch. Diese gehörten auch zum Repertoire der Leipziger Thomaskirche, wo sie Bach in seinen späten Jahren intensiv studierte, aufführte und partiell sogar in eigene Werke integrierte. Dies spricht für ihre hohe Qualität.

Süddeutsche Orgeln verfügten bis weit ins 18. Jahrhundert nur über ein knapp besetztes Pedal mit geringem Tonumfang; es war vor allem für Haltetöne und zur Betonung der Bassstimme an einzelnen Stellen gedacht. Deshalb wurde die Unterstimme bei Tastenmusik so gestaltet, dass sie entweder in den komplexen Satz eingebunden und dann manualiter gespielt wurde oder ihr nur wenige, meist langsame Noten zugewiesen wurden. So verfuhr auch Johann Caspar Kerll, der in seinen Clavierwerken ein komplexes, mit Diminutionen nur so gespicktes Stimmengeflecht entfaltete. Eine Adaption italienischer Praxis war die Toccata con durezze e ligature: In ruhigem Duktus werden dabei die Modulationen mittels Vorhalten und Überbindungen (ligature) als lang angehaltene (durezze) Töne einzelner Stimmen vorgenommen.

Dass Kerll die hohe Kunst des Kontrapunkts auch mit Witz einsetzen konnte, zeigt sein geniales Capriccio sopra il Cucu: Aus den zwei Tönen des Kuckucksrufes ein ganzes, dazu noch höchst virtuoses und amüsantes Stück zu machen, gelingt gewiss keinem Kleinmeister.

Sonntag, 26. Mai 2019, 17 Uhr
St. Barbara, Freiburg-Littenweiler
Karin Karle, Münstertal

Bach und Mendelssohn


Johann Sebastian Bach (1685-1750) 

Präludium Es-Dur, BWV 552, 1 

aus den Leipziger Chorälen: 

„Allein Gott in der Höh’“, BWV 663 

Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847) 

Präludium und Fuge G-Dur, op. 37, 2 

Johann Sebastian Bach 

Fantasia c-Moll, BWV 1121 

Felix Mendelssohn-Bartholdy 

Sonata I in f-Moll, op. 65, 1 

Johann Sebastian Bach 

aus den Leipziger Chorälen: 

„Schmücke dich, o liebe Seele“, BWV 654 

Fuge Es-Dur, BWV 552, 1

In einigen Punkten folgt dieses Programm jenem, das Felix Mendelssohn-Bartholdy in seinem Konzert am 6. August 1840 in der Leipziger Thomaskirche zugunsten eines Bach-Denkmals zusammengestellt hatte. Wie bereits von Bach selbst für seine Orgelmesse vorgesehen, fungieren das große Präludium Es-Dur und die aus drei Themen gebildete Fuge als Rahmen. Enthalten ist – wie weiland bei Mendelssohn – Bachs Choralbearbeitung zum Abendmahlslied „Schmücke dich, o liebe Seele” mit ihrem kolorierten cantus firmus. Bachs Orgelmesse entstammt auch die kunstvolle Vertonung des Gloria-Liedes „Allein Gott in der Höh’ sei Ehr:“ Nicht nur die Melodie ist reich verziert;

auch die Oberstimmen bilden einen fein ziselierten Kanon.

Immer wieder erstaunt die Doppelgesichtigkeit von Mendelssohns Orgelwerken. Einerseits reichen sie in Form und Stil oft ins 18. Jahrhundert zurück, andererseits scheinen sie späteren Entwicklungen vorzugreifen. So behält Mendelssohn zwar in seinem Opus 37 das Paar Präludium und Fuge bei. Das Präludium in G-Dur gleicht jedoch

mit seinem empfindsamen Thema eher einem Lied ohne Worte, und die Fuge zeigt bereits die in der Romantik gepflegte Steigerung in Dynamik und Dichte.

Beinahe aufgelöst ist in Mendelssohns Opus 65 der Begriff der Sonate, der hier als Ganzes kaum mit barocken Formschemata oder mit denen klassischer Klaviersonaten in Einklang zu bringen ist; gemeint sind schlichtweg Folgen von Einzelsätzen, die sich mehr oder weniger an bekannten Strukturen orientieren. Auch Mendelssohn beschäftigte sich zeitlebens mit dem protestantischen Kirchenlied und zitiert im aufgewühlt wirkenden 1. Satz seiner f-Moll-Sonate das Bittlied „Was mein Gott will, das g’scheh allzeit”. Daran schließt sich eine Elegie in der Paralleltonart As-Dur. Merkwürdig ist der darauffolgende Dialog (Andante recitativo) von rezitativischen Elementen und Tutti-Blöcken, der kaum einem gängigen Satztypus zuzuordnen ist. Das Werk schließt mit einem quirligen F-Dur-Allegro, das auch in Mendelssohns Schottischer oder Italienischer Symphonie stehen könnte.

Donnerstag, 30. Mai 2019, 17 Uhr
Barockkirche St. Peter
Michael Schöch, Innsbruck

Bach und Dupré


Johann Sebastian Bach (1685-1750) / 

Marcel Dupré (1886-1971) 

Sinfonia aus der Ratswahlkantate, BWV 29 

Johann Sebastian Bach 

Präludium und Fuge D-Dur, BWV 532 

Triosonate Nr. 6 G-Dur, BWV 530 

Vivace – Lento – Allegro

Fantasie c-Moll, BWV 1121 

Marcel Dupré 

3 Präludien und Fugen op. 7

Mit Präludium und Fuge D-Dur und der Triosonate in G-Dur hören wir bereits zwei Schwergewichte aus Johann Sebastian Bachs Feder. Die solistischen Pedaltonleitern, das äußerst dichte alla breve sowie die motorische Fuge des D-Dur-Paares verlangen höchste Präzision. Gerade noch rechtzeitig, bevor der Eindruck sinnlosen Fortspinnens entsteht, wird die Sequenz im zweiten Teil des Fugenthemas abgefangen. – Nicht minder heikel, obwohl „nur” dreistimmig sind Bachs Triosonaten, vor allem jene in G-Dur. Hier hilft bei der Interpretation die Vorstellung sanglicher Streichinstrumente, um eine anmutige Linienführung zu erzielen.

Marcel Dupré wurde in eine Musikerfamilie in Rouen geboren; er bildete später am Pariser Konservatorium Generationen von berühmten Organisten und Komponisten aus wie Olivier Messiaen, Jean Langlais, Luigi Ferdinando Tagliavini oder den am 26. Januar verstorbenen Jean Guillou. Zu Recht gilt Dupré als der Bach-Protagonist Frankreichs im

20. Jahrhundert, bot er doch mehrmals Konzertzyklen mit Bachs Orgelwerk; darüber hinaus war er als Orgelvirtuose weltweit gefragt.

Interessant ist, wie unterschiedlich Dupré sich dem Werk des Thomaskantors nähert: Den Eingangssatz der berühmten Ratswahlkantate „Wir danken dir, Gott” füllt er in typisch spätromantischer Weise vollgriffig auf und fügt zahlreiche Interpretationszeichen hinzu, vor allem in der Dynamik.

Ganz anders verfährt Dupré, wenn er die Form Präludium und Fuge mit neuen Inhalten füllt: Hier ist der Satz stets licht, auf Durchhörbarkeit der fein verästelten Kontrapunktik bedacht. Das Ganze geschieht in entlegenen Tonarten und höchster Virtuosität, was diesen Werkzyklus noch anspruchsvoller macht als die großen Orgelwerke Bachs.

Sonntag, 2. Juni 2019, 17 Uhr
Pfarrkirche St. Gallus, Kirchzarten
Severin Zöhrer, Eberbach

Bach und Beethoven


Ludwig van Beethoven (1770-1827) 

Grenadiermarsch für Flötenuhr, WoO 29 

aus Fünf Stücke für Flötenuhr, WoO 33 

– Allegro non più molto C-Dur 

– Scherzo G-Dur 

– Allegro G-Dur 

– Allegretto C-Dur

Johann Sebastian Bach (1685-1750) 

Sonate Nr. 4 e-Moll, BWV 528 

– Adagio / Vivace 

– Andante 

– Un poco Allegro 

Präludium in C-Dur, BWV 547/1
 

Fantasie in c-Moll, BWV 1121 

Fuge in C-Dur, BWV 547/2 

Ludwig van Beethoven 

aus Fünf Stücke für Flötenuhr, WoO 33 

– Adagio assai, F-Dur

Johann Sebastian Bach / Antonio Vivaldi 

Concerto a-Moll, BWV 593 

Allegro – Adagio – Allegro

Mozart, Haydn und Beethoven spielten selbstverständlich Orgel und waren von ihr begeistert. Umso erstaunlicher ist, dass alle drei nur wenige Werke für sie komponierten – und dabei handelte es sich größtenteils noch um Stücke für Flötenuhren, die großen Schwestern unserer Kuckucksuhr. Diese mechanischen Musikwerke erfreuten sich im 18. Jahrhundert zunächst in den Wunderkabinetten Adeliger, später auch in bürgerlichen Salons großer Beliebtheit. Am Hof der Esterházy soll eine Flötenuhr in einem Ohrensessel verbaut gewesen sein. Als Vorläufer der Orchestrions und der Tonträger unserer Zeit spielten mechanische Orgeln mit ihren Stiftwalzen für die Verbreitung von Musik im wahrsten Sinn des Wortes eine bedeutende Rolle. Es ist wohl nicht übertrieben, diese Instrumente, die für sie geschriebenen Werke und ihre Schöpfer als Streamingdienste der Klassik zu betrachten.

Somit war es lukrativ, für Flötenuhr zu komponieren oder – noch besser – populäre Werke zu arrangieren. Dabei musste sich der Meister horizontal und vertikal in der Beschränkung zeigen: Die Kapazität von Stiftwalzen und später Papierrollen als Speichermedium erlaubte meist nur, kürzere Stücke aufzuzeichnen. Das Beschlagen der Walzen, das so genannte Zeichnen war dabei eine eigene Kunst, zu besichtigen etwa in der Schauwerkstätte des Elztalmuseums in Waldkirch. Zum andern haben Flötenuhren stets einen sehr begrenzten Tonvorrat. Es kommt deshalb darauf an, einen komplexen Notentext so geschickt einzudampfen, dass mit nur wenigen Tonstufen und Klangfarben

der musikalische Sinn leicht erkennbar und genügend Abwechslung geboten ist.

Für leibhaftige Interpreten besteht die hohe Kunst darin, dieses Genre so geschickt zu artikulieren, dass das Moment des Mechanischen durchscheint, aber eben nicht nach Leierkasten klingt. Erst die richtige Dosis an Spielwitz macht diese Galanterien auch heute noch zu einem Hörvergnügen wie zu Beethovens Zeiten. Erfreuen Sie sich an den

genialen, mal meditativen, mal sprühenden Miniaturen!

2018

David Franke, Freiburg: Bach und Improvisation
Dienstag, 1. Mai 2018, 17 Uhr; Münstertal, Kath. Pfarrkirche St. Trudpert


Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)

Concerto a-Moll BWV 593 nach Antonio Vivaldi 

Allegro - Adagio - Allegro


David Franke (*1980)

Improvisation


Johann Sebastian Bach

„Dies sind die heilgen zehn Gebot“ BWV 678


David Franke

Improvisation


Johann Sebastian Bach

„Vor deinen Thron tret’ ich hiermit“ BWV 668


David Franke

Improvisation


Johann Sebastian Bach

Pièce d’Orgue BWV 572

Très vitement - gravement - lentement


David Franke

Improvisation

Heinrich Walther, Freiburg: Bach und Sweelinck
Sonntag 6. Mai 2018, 17 Uhr; Wallfahrstkirche Maria Lindenberg, St. Peter


Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)

Sonate d-Moll BWV 964 

(nach der Sonate a-Moll für Violine solo BWV 1003) 

Adagio – Fuga – Andante - Allegro


Aus der Kunst der Fuge: Contrapunctus I

 

Jan Pieterszoon Sweelinck (1562 – 1621)

„Allein Gott in der Höh sei Ehr“ 

Variationen „Mein junges Leben hat ein End“ 

Echofantasie in d 

Fantasia Cromatica 

Variationen „Unter der Linden grüne“


Johann Sebastian Bach

Triosonate c-Moll BWV 526

Vivace – Adagio – Allegro


Praeludium und Fuge G-Dur BWV 541

Jin Kim, Seoul: Bach und Messiaen
Christi Himmelfahrt, 10. Mai 2018, 17 Uhr; St. Alban, Bad Krozingen


Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)

Toccata, Adagio und Fuge C-Dur BWV 564


Olivier Messiaen (1908 – 1992)

„L’Ascension” 

„I. Majesté du Christ demandant sa gloire à son Père” 

„II. Alleluias sereins d’une âme qui désire le ciel” 

„III. Transports de joie d'une âme devant la gloire du Christ qui est la sienne” 

„IV. Prière du Christ montant vers son Père”


Johann Sebastian Bach

„Wenn wir in höchsten Nöten sein” BWV 641 

„Vor deinen Thron tret’ ich hiermit” BWV 668 

Praeludium und Fuge Es-Dur BWV 552

Christian Schmitt, Stuttgart: Bach und Liszt
Sonntag, 13. Mai 2018, 17 Uhr; Christuskirche, Freiburg 


Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)
Toccata und Fuge F-Dur BWV 540

Franz Liszt (1811 – 1886)
Evocation

Johann Sebastian Bach
„Allein Gott in der Höh sei Ehr” BWV 662a Fantasie
und Fuge g-Moll BWV 542 „Wenn wir in höchsten Nöten sein” BWV 668a

Franz Liszt
Fantasie und Fuge über das Thema B-A-C-H

Hae-Kyung Jung, Karin Karle und Johannes Götz
Pfingstsonntag, 20. Mai 2018, 17 Uhr; Barockkirche, St. Peter

Einführungsvortrag mit Johannes Adam um 15.30 Uhr im Fürstensaal 


Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)

„Kunst der Fuge” BWV 1080 


Contrapunctus I, einfache Fuge über das Thema in Urgestalt 

Karin Karle 


Contrapunctus II, einfache Fuge über das Thema in Urgestalt 

Contrapunctus III, einfache Fuge über das Thema in Umkehrung 

Contrapunctus IV, einfache Fuge über das Thema in Umkehrung 

Hae-Kyung Jung & Johannes Götz 


Contrapunctus V, 

Gegenfuge über das variierte Thema und seine Umkehrung in einer Wertgröße 

Contrapunctus VI, 

Gegenfuge über das variierte Thema und seine Umkehrung in zwei Wertgrößen 

Contrapunctus VII, 

Gegenfuge über das variierte Thema und seine Umkehrung in drei Wertgrößen 

Johannes Götz & Karin Karle 


Contrapunctus VIII, Tripelfuge über zwei neue Themen und das variierte Hauptthema 

Hae-Kyung Jung 


Contrapunctus IX, Doppelfuge über ein neues Thema und das Hauptthema 

Contrapunctus X, Doppelfuge über ein neues Thema und das variierte Hauptthema

Contrapunctus XI, Tripelfuge über zwei neue Themen und das variierte Hauptthema 

Johannes Götz & Karin Karle 


Contrapunctus XIIa, Spiegelfuge über Varianten des Themas 

Contrapunctus XIIb, Spiegel des Contrapunctus XIIa 

Contrapunctus XIIIa, Spiegelfuge über das variierte Thema und seine Umkehrung

Contrapunctus XIIIb, Spiegel des Contrapunctus XIIIa 

Hae-Kyung Jung & Karin Karle 


Canon alla ottava, Kanon im doppelten Kontrapunkt der Oktave 

Johannes Götz 


Canon alla duodecima in contrapunto alle Quinta, 

Kanon im doppelten Kontrapunkt der Duodezime 

Karin Karle

Werkeinführung >>

Godehard Weithoff, Freiburg: Bach und Distler
Pfingstmontag, 21. Mai 2018, 17 Uhr; Liebfrauenkirche, Freiburg-Günterstal


Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)

„Komm, heiliger Geist, Herre Gott“ BWV 651

 

Hugo Distler (1908 – 1942)

Variationen „Wo Gott zu Haus nit gibt sein Gunst“

Thema – 4 Variationen – Thema

 

Johann Sebastian Bach

„Schmücke dich, o liebe Seele“ BWV 654

 

Hugo Distler

„Mit Freuden zart“ 

Vorspiel und Satz

 

Johann Sebastian Bach

Präludium und Fuge e-Moll BWV 548

„Vor deinen Thron tret‘ ich hiermit“ BWV 668

 

Hugo Distler

„Christ, der du bist der helle Tag“ 

Choral, Bicinium, Pastorale und Satz

 

Johann Sebastian Bach

„Komm, Gott Schöpfer Heiliger Geist“ BWV 667

Eduard Wagner, Freiburg: Bach und Kagel
Sonntag 27. Mai 2018, 17 Uhr; St. Gallus, Kirchzarten 


Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)

Präludium und Fuge c-Moll BWV 549 

„Vor deinen Thron tret’ ich hiermit“ BWV 668

 

Mauricio Kagel (1931 – 2008)

aus: „Rrrrrrrr...“ 8 Orgelstücke 

Nr. 1 Raga

 

Johann Sebastian Bach

Aus den „Schübler-Chorälen“: 

„Wachet auf, ruft uns die Stimme“ BWV 645 

„Wo soll ich fliehen hin" BWV 646 

„Wer nur den lieben Gott lässt walten“ BWV 647

 

Mauricio Kagel

aus: „Rrrrrrrr...“ 8 Orgelstücke 

Nr. 4 Ragtime-Waltz

 

Johann Sebastian Bach

Aus den „Schübler-Chorälen“: 

„Meine Seel erhebt den Herren“ BWV 648 

„Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ“ BWV 649 

„Kommst du nun, Jesu, vom Himmel herunter“ BWV 650

 

Mauricio Kagel

aus: „Rrrrrrrr...“ 8 Orgelstücke 

Nr. 8 Rossignols enrhumés

 

Johann Sebastian Bach

Präludium und Fuge a-Moll BWV 543

Markus Uhl, Heidelberg: Bach und Bruhns
Fronleichnam, 31. Mai 2018, 17 Uhr; St. Peter und Paul, St. Ulrich 


Nicolaus Bruhns (1665 – 1697)

Praeludium in e („das Große“)

 

Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)

Praeludium a-Moll BWV 543

 

Nicolaus Bruhns

Praeludium in e („das Kleine“)

 

Johann Sebastian Bach

Toccata et Fuga d-Moll BWV 565

„Wo Gott der Herr nicht bei uns hält“ BWV 1128 

„Vor deinen Thron tret’ ich hiermit“ BWV 668


Nicolaus Bruhns

Praeludium in G

2017

Andreas Liebig spielt Bach und Bovet
Montag, 1. Mai 2017, 17 Uhr; Münstertal, Kath. Pfarrkirche St. Trudpert


Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)
Ein‘ feste Burg ist unser Gott BWV 720
Osterchoräle aus dem Orgelbüchlein: Christ lag in Todesbanden BWV 625 Jesus Christus, unser Heiland BWV 626 Christ ist erstanden BWV 627 (3 versus) Erstanden ist der heilig Christ BWV 628 Erschienen ist der herrlich Tag BWV 629 Heut‘ triumphieret Gottes Sohn BWV 630

Guy Bovet (* 1942)
Don Quijote (2011) Auftragskomposition von AL für den 10. Krummhörner Orgelfrühling 2011 und die Orgel in Rysum (1457) Der große Ritter Don Quijote de la Mancha und seine Wahl der unvergleichlichen Dulcinea del Toboso Don Quijote verpflichtet den gemütlichen Landarbeiter Sancho Panza als Waffenknecht Der harte Kampf gegen die Windmühlen Ein Liebeslied an Dulcinea Die edle Prinzessin Micomicona von Aethiopien Die Schlacht gegen die Weinschläuche Von der sonderbaren Art, wie Don Quijote auf sein Landgut gebracht wird Die Hochzeit von Camecho, dem Reichen (nach spanischen Hochzeitsliedern) Die Höhle von Montesinos und die unheimliche Prozession Das glorreiche Königreich von Sancho Panza und dessen schreckliches Ende sowie Don Quijotes letzte und bitterste Niederlage Don Quijotes Testament und Tod und ein kurzes In Memoriam

Johann Sebastian Bach
Meine Seele erhebt den Herren BWV 648 à 2 Clav. e Pedale 
- aus den Schübler-Chorälen Fuga sopra il Magnificat BWV 733 
Allein Gott in der Höh’ sei Ehr BWV 662 à 2 Clav. e Pedale 
- aus den sog. Leipziger Chorälen Praeludium et Fuga D-dur BWV 532

Johannes Götz spielt Bach und Mendelssohn
Sonntag 7. Mai 2017, 17 Uhr; Freiburg-Zähringen, St. Blasius

Moderation: Meinrad Walter



Historisches Orgelkonzert

Rekonstruktion des Orgelkonzertes von Felix Mendelssohn-Bartholdy

am 6. August 1840 in der Thomaskirche zu Leipzig zu Gunsten eines Bachdenkmals 


Johann Sebastian Bach (1685 - 1750)

Präludium Es- Dur, BWV 552/1

„Schmücke dich, o liebe Seele“, BWV 654
Fuge Es-Dur, BWV 552/2

Passacaglia c- moll, BWV 582

„Ein feste Burg ist unser Gott“, BWV 720

Toccata und Fuge d- moll, BWV 565


Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 – 1847) / Rudolf Lutz
Sonate in d über „O Haupt voll Blut und Wunden“

Sir András Schiff spielt Bach
Sonntag 14. Mai 2017, 17 Uhr; Barockkirche St. Peter


Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)

Goldberg-Variationen 

In Kooperation mit den Nabering Konzerten

Susanne Rohn spielt Bach und Reger
21. Mai 2017, 17 Uhr; St. Ulrich, Pfarrkirche St. Peter und Paul 


Johann Sebastian Bach (1685-1750)
Passacaglia c-Moll BWV 582
Trio super „Allein Gott in der Höh sei Ehr“ BWV 676
Partita „Christ der du bist der helle Tag“ BWV 766
Toccata und Fuge F-Dur BWV 540
„Ein’ feste Burg ist unser Gott” BWV 720

Max Reger (1873-1916) 
„Ein‘ feste Burg ist unser Gott” op. 67, Nr. 6 
Introduktion und Passacaglia d-Moll

Rudolph Lutz, St. Gallen
Sonntag 25. Mai 2017, 17 Uhr; Christuskirche Freiburg


Improvisationen über Luther Choräle

Moderation: Meinrad Walter

Gerhard Gnann spielt Bach und Alain
Pfingstsonntag 28. Mai 2017, 17 Uhr; Ev. Kirche Bötzingen


Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)
„Allein Gott in der Höh‘ sei Ehr“ BWV 715
„Allein Gott in der Höh‘ sei Ehr“ BWV 711

Jehan Alain (1911 – 1940)
Variations sur l’hymne «Lucis Creator»

Johann Sebastian Bach
„Vater unser im Himmelreich“ BWV 683
„Vater unser im Himmelreich“ BWV 682

Jehan Alain
Aria

Johann Sebastian Bach
„Eine feste Burg ist unser Gott“ BWV Anhang 49
„Eine feste Burg ist unser Gott“ BWV 720

Jehan Alain
DANSE FUNÈBRE pour honorer une mémoire héroique

Johann Sebastian Bach 
Concerto d-Moll BWV 596 nach Antonio Vivaldi 
- Ohne Satzbezeichnung - Grave - Fuga - Largo e spiccato - Allegro

Karin Karle spielt Bach und Händel
Pfingstsonntag 4. Juni 2017, 17 Uhr; St. Martin, Riegel 


Georg Friedrich Händel (1685 – 1759)
Orgelkonzert Nr. 10 in d-Moll (Bearbeitung: Marcel Dupré)
Adagio – Allegro – Allegro

Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)
Duetto I, BWV 802

Georg Friedrich Händel
Grobschmied-Variationen aus der Klaviersuite HWV 430
(Bearbeitung: Sigfrid Karg-Elert)

Johann Sebastian Bach
Duetto II, BWV 803
Choralbearbeitung „Ein feste Burg ist unser Gott“ BWV 720
Duetto III, BWV 804

Georg Friedrich Händel
Orgelkonzert Nr. 13 in F-Dur HWV 295 „Der Kuckuck und die Nachtigall“
(Bearbeitung: Klemens Schnorr)
Larghetto – Allegro – Larghetto – Allegro

Johann Sebastian Bach
Duetto IV, BWV 805 
Concerto a-Moll BWV 593 nach Antonio Vivaldi 
Ohne Satzbezeichnung – Adagio – Allegro

Hae-Kyung Jung spielt Bach und Buxtehude
Pfingstmontag 5. Mai 2017, 17 Uhr; Wallfahrtskirche Maria Lindenberg, 
St. Peter 


Dietrich Buxtehude (1637 – 1707)
Praeludium C-Dur BuxWV 137
„Ein feste Burg ist unser Gott“ BuxWV 184

Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)
„Ein fest Burg ist unser Gott“ BWV 720
Fantasia super „Komm, heiliger Geist“ BWV 651

Dietrich Buxtehude
„Nun bitten wir den heiligen Geist“ BuxWV 209
Praeludium g-Moll, BuxWV 149

Johann Sebastian Bach
Partite diverse Sopra il Corale „Was soll ich Sünder machen“ 
Toccata und Fuge in C-Dur BWV 566 a

2015

Daniel Beckmann/Mainz spielt Bach und Duruflé
Freitag, 1. Mai 2015, 17 Uhr; Münstertal, Kath. Pfarrkirche St. Trudpert


Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)

Fantasie und Fuge g-Moll, BWV 542 

Kleines harmonisches Labyrinth, BWV 591 

Sonata VI in G, BWV 530 

Vivace - Lento - Allegro 

 

Johann Sebastian Bach

- bearbeitet von M. Duruflé

Choral „Ertöt uns durch dein Güte" 

aus der Kantate 22 

Choral „Jesus bleibet meine Freude" 

aus der Kantate 147


Maurice Duruflé  (1902 – 1986)

Suite, op. 5 

Prélude - Sicilienne - Toccata


„Eine Musterfuge hinsichtlich der Steigerung und des großartigen Effekts ist die von Sebastian Bach aus g-Moll. Allgemein sprach sich das Publikum aus, wie mächtig diese Fuge einhergebraust wäre.“

Bericht über ein Orgelkonzert 1831

Als der Naumburger Organist Karl Traugott Seiffert das hier beschriebene Konzert an der Hildebrand-Orgel zu Naumburg gespielt hat, war das diesjährige Auftaktstück der Reihe „Mit Bach durch die Regio“, Fantasie und Fuge g-Moll, noch gar nicht gedruckt. Gespielt wurde damals aus handschriftlichen Kopien. Allein 20 Abschriften sind von BWV 542 erhalten. Sie dokumentieren die frühe Beliebtheit des Werkes. Vermutlich ist zuerst die Fuge entstanden, der ein niederländisches Thema zugrunde liegt. Bach hat sie bei seiner vergeblichen Bewerbung in Hamburg 1720 gespielt. In der später hinzu komponierten Fantasie paart Bach rezitativisch-ungestüme Gestik mit extremer Harmonik, so dass ein großes Exemplum fantastischer Orgelmusik entsteht, dessen überbordende Klänge, wie immer bei Bach, durch architektonische Ordnungsprinzipien gleichsam im Zaun gehalten werden. 

Maurice Duruflé hat nicht nur viele Orgelwerke Bachs in Konzerten gespielt, sondern auch zwei Kantatensätze für Orgel „arrangiert“. Duruflé strebt dabei nach einem durchsichtigen Klangbild. Deshalb reduziert er beim ersten Choral mit der Melodie „Herr Christ, der einig Gottes Sohn“ den vierstimmigen Chorsatz auf den Cantus firmus im Tenor. Beim zweiten Choral mit der Melodie „Werde munter, mein Gemüte“ hören wir den Chorpart im Positiv (Plenum auf 16‘-Basis), die Solostimme mit Hautbois 8‘ im Récit und die Begleitung mit Bourdon 8‘ auf der Grand Orgue. Wiederum ein schlankes Klangbild für den berühmten Choralsatz. 


Zu seiner Suite op. 5 und insbesondere der Toccata daraus hatte der überaus selbstkritische Duruflé ein zwiespältiges Verhältnis. Nicht nur, dass er in das Exemplar seines Schülers Pierre Cochereau eigenhändig den Vermerk „Mein lieber Pierre, spielen sie niemals dieses schlechte Stück!“ eingetragen hat. 

Auf die Frage in einem Interview „Warum mögen Sie Ihre Toccata nicht?“ gab er zur Antwort: „Das erste Thema ist nicht gut. Und weil das Thema nicht gut ist, kann auch die ganze Komposition, die darauf aufbaut, sich nicht entwickeln.“ Madame Duruflé versuchte einzulenken: „Auch wenn Du das Thema nicht magst, ich mag das ‚Drumherum‘, sozusagen die ‚Sauce‘“. Darauf der Komponist lachend: „Ja, die Sauce ist da, aber nicht das Beefsteak! Das Beefsteak ist wichtig, nicht die Sauce!“ Schließlich einigt man sich darauf, dass die Suite sich auch dazu eignet, die Schüler „zur Arbeit zu zwingen“. 


Ähnliche Diskurse wären auch im musikalischen Hause Bach jedenfalls nicht undenkbar gewesen. Schließlich hat Bach seine Triosonaten wohl als hohe Schule des Orgelspiels für seine Söhne komponiert, sozusagen für deren Master-Studium. Und Carl Philipp Emanuels Urteil, „dass sie jetzt noch sehr gut klingen und nie veralten, sondern alle Moderevoluzionen in der Musik überleben werden“ – dieses Urteil mag man wiederum auch auf Duruflés Werke beziehen, weil die Geschichte sogar die Kritik des Autors zurechtzurücken vermag.

Hae-Kyung Jung spielt Bach und Karg-Elert
Sonntag 3. Mai 2015, 17 Uhr; Freiburg-Herdern, Kath. Pfarrkirche St. Urban 


Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)

Praeludium und Fuge h-Moll, BWV 544 

Choralbearbeitung „Liebster Jesu, wir sind hier“, BWV 731


Sigfrid Karg-Elert (1877 – 1933)

Liebster Jesu, wir sind hier, op 65 

Nun danket alle Gott, op 65


Johann Sebastian Bach

Kleines harmonische Labyrinth, BWV 591 

Choralbearbeitung „Jesu, meine Freude“, BWV 610 

Choralbearbeitung „In dir ist Freude“, BWV 615


Siegfried Karg-Elert

Sinfonischer Choral „Jesu, meine Freude“, op 87/2

1. Introduzione 

2. Canzone 

3. Fuga con Corale



„Opus 87,2 – der sinfonische Choral ‚Jesu, meine Freude‘ – ist die ‚Königin‘ unter meinen Orgelwerken. Sie wird den letzten Zweifler an meiner Priorität unter allen deutschen Orgelkomponisten auf meine Seite bringen. Für die Masse ist das Stück zu schwer, aber dafür wird es in 50 Jahren noch gespielt, wo mein ‚kleines Gemüse‘ längst verwelkt ist.“

Sigfrid Karg-Elert

Karg-Elerts Prognose aus dem Jahr 1911 ist nur bedingt in Erfüllung gegangen, mehr als 100 Jahre nach der Komposition. Schließlich zählt seine große Choral-Sinfonie über „Jesu, meine Freude“ bis heute eher zu den Raritäten auf Orgelkonzertprogrammen. Allerdings ist auch sein „kleines Gemüse“, etwa aus den „Choral-Improvisationen“ op. 65, keinesfalls schon „verwelkt“, wie wir heute hören werden. 


Das Thema ist die Jesus-Freude. Die Choralbearbeitungen aus Bachs Orgelbüchlein und dessen Umfeld sowie aus Karg-Elerts op. 65 laden zum Vergleich ein. Eine anmutige Aria Bachs zu „Liebster Jesu, wir sind hier“ und ein mit „Tranquillamente“ überschriebener Kanon in der Unterquart (Tenor und Bass) zu diesem Lied von Karg-Elert. „In dir ist Freude“ wird in Bachs Orgelbüchlein zum extrovertierten Orgel-Freudentanz der „sieghaften Freudigkeit“ (Albert Schweitzer), wohingegen der Orgelchoral „Jesu, meine Freude“ die innig-introvertierte Seite dieses Affekts zur Geltung bringt. Den Choral „Nun danket alle Gott“ kleidet Karg-Elert in einen Triumphmarsch mit der Vortragsanweisung: „Mit festlichem Glanz, breit, aber nicht zu langsam“. 


Den Rahmen bilden zwei große Werke. In Präludium und Fuge h-Moll schlägt Bach einen elegischen bis melancholischen Ton an, gepaart mit formaler Strenge. Der Bachforscher Philipp Spitta spricht von „romantischen Irrgärten, wie sie kein neuer Komponist zauberreicher hätte erfinden können“. Und Albert Schweitzer bemerkt: „Das Präludium ist in Wirklichkeit ein symphonischer Satz, in welchem ein machtvolles Hauptthema und mehrere Nebenthemen, alle durch denselben rhythmischen Gedanken untereinander verbunden, sich in kühnem Spiel miteinander auseinandersetzen. Das Thema der Fuge besteht aus einem aufsteigenden Bogen gleichmäßiger Achtel. Wie träumend zieht es einher. Die Sechzehntelbewegung der kontrapunktischen Stimmen bringt es zum Erwachen.“ 


Karg-Elerts sinfonischer Choral „Jesu, meine Freude“ ist Karl Straube gewidmet. Kein Kommentar zum Werk könnte treffender sein als die Charakterisierung des Komponisten: „1. Satz: Inferno-Vision (Angst, Qual, Reue, leidvollstes Verlangen). 2. Satz: Canzone: ‚Du bist mein Ergötzen‘ (in reichromantischem Barockstil, wie die Baumeister des Mittelalters die Jesusverherrlichung in zartestem Arabesken- und Zierstil ausdrückten). 3. Satz: Fuge (Durchdringung aus der Nacht des Daseins zum Lichte der einzigwahren Erkenntnis: Jesu, meine Freude). Kombination der Fuge mit dem Choral und am Schluss: Choral homophon, alle Unruhe, Hast und aller Kleinkram ist abgestreift, einfach-schlicht und doch lapidar steht in Überlebensgröße vor uns: Jesu, meine Freude (C-Dur).“

Johannes Götz und Jan Esra Kuhl: Bach und Live Elektronik
Sonntag 10. Mai 2015, 17 Uhr; Bötzingen, evangelische Kirche 


Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)

Toccata, Adagio und Fuge C-Dur, BWV 564


Improvisation

Orgel und Live Elektronik

 

Johann Sebastian Bach

Kleines harmonisches Labyrinth, BWV 591


Jan Esra Kuhl

Wendeltreppe für Orgel und Tonband


Johann Sebastian Bach

„Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ“, BWV 639


Improvisation

Orgel und Live Elektronik


Johann Sebastian Bach

Pièce d’orgue, BWV 572

Très vitement - Gravement - Lentement

Das Konzertprogramm beinhaltet Bearbeitungen einzelner Orgelwerke Johann Sebastian Bachs für Orgel und Live-Elektronik. Grundgedanke ist dabei das Versetzen der Originalwerke in einen neuen Kontext. Mal werden diese mit fernen, elektronischen Klangwelten konfrontiert, mal mit sich selbst bzw. ihrem elektronischen Spiegelbild. Der Orgelklang wird dabei auf unterschiedliche Weise elektronisch bearbeitet. Zum Einsatz kommen u.a. Verfahren wie Delay (verspätete Wiedergabe eines aufgenommenen Klanges), Filter oder Veränderung der Abspielgeschwindigkeit. Die Möglichkeiten, die die Bötzinger Orgel in Kombination mit der Elektronik und dem Kirchenraum bietet, werden zusätzlich in freien Improvisationen ausgelotet. 


"Wendeltreppe" von Jan Esra Kuhl bezieht sich klar hörbar auf ein Orgelwerk J. S. Bachs, greift es doch die "ewige Tonleiter" aus der Phantasie g-Moll BWV 542 auf und führt sie auf eigene Weise weiter.

Michael Behringer, Cembalo und Orgel, spielt Bach und Couperin
Christi Himmelfahrt 14. Mai 2015, 17 Uhr; St. Ulrich, 
Pfarrkirche St. Peter und Paul 


Louis Couperin (1626 – 1661) 

Suite in C

- Prélude 

- Allemande 

- Courante 

- Sarabande 

- Passacaille


Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)

Kleines harmonisches Labyrinth, BWV 591 

Präludium und Fuge a-moll, BWV 894 

Choralbearbeitung „O Lamm Gottes unschuldig“, BWV 656 

Choralbearbeitung „An Wasserflüssen Babylon“, BWV 653

 

Louis Couperin

aus der „Messe pour les Couvents“:

- Chromhorne sur la Taille 

- Offertoire sur les grands jeux 

- Premier Couplet du Sanctus 

- Recit de Cornet (2.e couplet) 

- Elevation - Tierce en taille 

- Agnus Dei - Plein jeu 

- Dialogue sur les Grands Jeux, dernier couplet d’Agnus Dei


Johann Sebastian Bach

Pièce d’orgue BWV 572

Très vitement - Gravement (à 5) - Lentement


„Schon in seinen früheren Jahren studierte Bach die Werke berühmter Männer. Aber am meisten gewann er durch eine glückliche Wendung seines Schicksals, indem er mit der damaligen französischen Musik und ihrer Energie bekannt wurde. Dort hatte man besonders das Klavier nebst dem Hauptinstrument, der Orgel, kultiviert, und vor allem waren es Couperins Werke, welche unserm Bach Gelegenheit zu neuen Ansichten und Bearbeitungen der Harmonie gaben“

Karl Friedrich Triest

Beide, Couperin und Bach, „excellierten auf dem Clavier“, wobei die Grenzen zwischen Cembalo und Orgel damals noch fließend waren. Manche Werke lassen sich sogar auf beiden Instrumenten darstellen. Zu einer Begegnung der beiden Komponisten kam es leider nie, nicht einmal Briefe sind überliefert. Und doch wussten sie voneinander: der Weimarer Hoforganist und Leipziger Thomaskantor Johann Sebastian Bach sowie sein etwas älterer Zeitgenosse François Couperin, Musiker am Hof des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. Wären sie sich jemals begegnet, hätten sie etliche biografische Gemeinsamkeiten entdeckt, stammen doch beide aus einer Musikerdynastie – Louis Couperin, dessen Suite wir zu Beginn des Konzerts hören, ist der Onkel von François. Für Bach wie für Couperin war es überdies ganz selbstverständlich, in jungen Jahren vom eigenen Vater unterrichtet zu werden, und beide zog es nie in die große weite Welt. Ihr geografischer Radius war überschaubar, nämlich Paris mit Versailles für Couperin, der mitteldeutsche Raum nebst einigen Ausflügen gen Norden für Bach. 


Beide widmeten sich der Instrumental- wie der Vokalmusik. Überdies waren beide bestrebt, zentrale Werke ihrer Tastenmusik als „Exempla“ solcher Kunst auch in Drucken zu verbreiten. So könnte man die vier Drucke von Couperins „Pièces de clavecin“ durchaus mit den vier Teilen der Bach’schen „ClavierÜbung“ vergleichen. Ob Couperin jedoch Partiten aus dem ersten Teil von Bachs Tastenwerk, veröffentlicht ab 1726, noch zur Kenntnis genommen hat, bleibt fraglich. Da wiederum die Orgelwerke des Franzosen nur in Abschriften zugänglich waren, hat Bach wohl nur weniges daraus gekannt. Couperins Orgelmessen basieren auf der Alternatim-Praxis, gemäß der ein liturgischer Gesang abwechselnd gregorianisch gesungen und als Orgelmusik gespielt wird. Die zweite Orgelmesse ist für den Gebrauch in Mönchs- und Nonnenklöstern bestimmt: „… pour les Couvents de Religieux et Religieuses“. 


Französische Einflüsse prägen die in Weimar entstandene „Pièce d’orgue“, eines der wenigen freien Orgelwerke Bachs ohne Fugensatz. Bach gibt nicht nur den Titel in französischer Sprache an, sondern auch die Vortragsbezeichnungen der drei Sätze. „Très vitement“ ist das flirrende Passagenwerk des ersten Satzes überschrieben, das „Gravement“ erklingt als ausdrucksstarker und dissonanzenreicher fünfstimmiger Satz, und mit dem „Lentement“ kehrt Bach zum Duktus des Anfangs zurück, den er am Ende chromatisch anreichert. Somit begegnen sich heute nicht nur Cembalo und Orgel, sondern auch französische und deutsche Tastenkunst.

Szigmond Szathmáry, Orgel 
Olaf Tzschoppe, Schlagzeug
Sonntag 17. Mai 2015, 17 Uhr; Barockkirche St. Peter 


Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)

Fantasia g-Moll, BWV 542, 2/1 

Vater unser im Himmelreich, BWV 682


Zsigmond Szathmáry (*1939)

Ohne Titel

Uraufführung 

Auftragskomposition zum 70jährigen Ende des zweiten Weltkriegs für Orgel 
und Schlagzeug


Johann Sebastian Bach

Adagio aus BWV 564

in einer Fassung von Zsigmond Szathmáry 

Choralpartita „Ach, was soll ich Sünder machen“, BWV 770

Passacaglia in c, BWV 582


„Das, was Bachs Fantasie und das Werk Szathmárys verbindet, sind der Sinn und das Gespür für das fantastische und spezifische Klangangebot der Orgel.
Hermann Schemmel in einer Rezension 1997

Die Orgelkunst – mit den Aspekten Instrumentenbau, Komposition und Improvisation, Choralbegleitung, Klangfarben, regionale Stile der Orgelmusik und vieles mehr – hat Johann Sebastian zeitlebens beschäftigt. Auch am heutigen Programm lässt sich das ablesen. Bereits in jungen Jahren war Bach ein passionierter Spieler auf den Manual- und Pedaltasten. Frühe berufliche Stationen als Organist sind Arnstadt (1703–1707), Mühlhausen (1707–1708) und Weimar (1708–1717). Mit etwa 20 Jahren komponiert er die „Partite diverse sopra il Chorale ‚Ach, was soll ich Sünder machen‘“, seine früheste Choralpartita. In dieser mitteldeutschen Gattung werden die Prinzipien der weltlichen Liedbearbeitung auf Kirchenlieder übertragen, so dass die einzelnen Strophen in jeweils neuem musikalischem Licht erscheinen. 

Die Passacaglia c-Moll hat Bach um 1712 in Weimar komponiert. Französische Einflüsse sind darin ebenso auszumachen wie die Inspirationen Dieterich Buxtehudes. Überragend aber ist Bachs persönlicher Stil, der das eine Pedalthema in vielfacher Variation erklingen lässt, um dann noch eine Doppelfuge anzuschließen. Ebenso in Bachs Weimar Zeit, vielleicht um 1715, entstand das dreiteilige Werk „Toccata, Adagio und Fuge“ BWV 564. Dessen Adagio-Mittelteil ist originell und einzigartig in Bachs Werk: ein Solo mit Begleitung, quasi als elegisch-langsamer Konzertsatz, der zum einen italienische Einflüsse verrät, zum anderen aber auch vom Typus des verzierten Orgelchorals auf einem Solomanual mit Begleitung und Pedal inspiriert scheint. Vielleicht hat Bach gerade dieses Werk bei Orgelvorführungen gespielt, um so die lyrischen Möglichkeiten des Instruments zu demonstrieren. 


Die Fantasia g-Moll hat Bach im Jahr 1720 bei seiner Bewerbung in Hamburg St. Jakobi als Probestück vorgetragen. Hier nun war es angebracht, sich als Kenner der norddeutschen Orgelkunst zu präsentieren, was der Köthener Kapellmeister denn auch mit Bravour getan hat. Und selbst wenn dieser Bewerbung des 35-jährigen Bach der Erfolg versagt blieb, zeigt sie doch, dass er sich in jener Lebensphase den Beruf des Organisten immer noch gut vorstellen konnte. 


In Bachs Leipziger Zeit führt uns die Choralbearbeitung „Vater unser im Himmelreich“ aus dem Dritten Teil der Clavier-Übung (1739), Bachs großem „Orgelbuch“ als Summe seines Spielens und Denkens für dieses Instrument. Auf der Höhe seines kontrapunktischen Könnens kombiniert er einen zweistimmigen Cantus-firmus-Kanon mit drei Begleitstimmen, deren Rhythmik und Artikulation unterschiedlicher kaum sein könnten. Das Ergebnis ist ebenso vertrackt wie galant und zeigt Bach ein weiteres Mal als Komponisten, der Gegensätze spielerisch miteinander verbindet.

Jörg Schwab, Freiburg
Pfingstsonntag 24. Mai 2015, 17 Uhr; Neustadt, Jakobusmünster 


Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)

Allabreve D-Dur, BWV 589 

Canzona d-Moll, BWV 588


Improvisation

Drei Choralbearbeitungen zu gegebenen Themen


Johann Sebastian Bach

„Kyrie, Gott heiliger Geist“, BWV 671 

Kleines harmonisches Labyrinth, BWV 591 

Präludium und Fuge D-Dur, BWV 532


Improvisation

Fantasie und Fuge über den Choral „Beistand, Tröster, Heilger Geist”



„Das geistliche Orgelwerk 
Gott ist der Organist, wir sind das Orgelwerk: 
Sein Geist bläst jedem ein und gibt zum Ton die Stärk“

Angelus Silesius

Die Orgel ist ein pfingstliches Instrument! Ihr schier unerschöpflicher Luftvorrat erinnert an das Wehen und Brausen des Geistes. Und insbesondere die Improvisation ist eine höchst geistig-geistliche Kunst, weil sie auf die Inspiration im Augenblick vertraut. Johann Sebastian war ohnehin der Überzeugung, dass die Musik sich dem Heiligen Geist verdankt. In seiner Bibel findet sich der handschriftliche Eintrag zur Stelle 1 Chronik 28,21: „Nota bene. Ein herrlicher Beweis, dass neben anderen Anstalten des Gottesdienstes, besonders auch die Musica von Gottes Geist durch David mit angeordnet worden.“ 

„Allabreve“ und „Canzona“ zeigen, wie kreativ Bach mit geschichtlich vorgegebenen Modellen experimentiert hat – und wie sehr das Ergebnis mehr ist als die Summe seiner Vorbilder. Das „Allabreve“ ist eine Studie im alten kontrapunktischen Stil, überdies sehr vokal empfunden. Das Thema ähnelt dem „Gratias agimus tibi“ und „Dona nobis pacem“ der h-Moll-Messe, die Bachs Vollendung jenes Stils darstellen. Die „Canzona“ zeigt Bachs Auseinandersetzung mit italienischer Orgelmusik aus den berühmten „Fiori musicali“ von Frescobaldi, die er in einer Abschrift besessen hat. 


Der „Dritte Teil der Clavier-Übung“ ist Bachs großes Orgelbuch aus dem Jahr 1739 und zugleich – in drei mal drei Sätzen – eine musikalische Huldigung an die göttliche Trinität. BWV 671 ist die dritte Kyrie-Anrufung, die an den Heiligen Geist gerichtet ist. Bach macht daraus eine fünfstimmige Organopleno-Motette mit den kontrapunktischen Kunststücken der Engführung und melodischen Umkehrung des Liedanfangs. 


Präludium und Fuge D-Dur – um 1708 entstanden und später revidiert – steht dem norddeutschen Stylus phantasticus nahe, den der junge Bach bei seinem mehrmonatigen Studienaufenthalt bei Dieterich Buxtehude in Lübeck kennen gelernt hat. Dazu zählt nicht zuletzt das virtuose Pedalspiel, das ein Nürnberger Organist 1740 in der Randbemerkung zu seiner Abschrift dieses Werkes so formuliert hat: „Bey dieser Fuge muß man die Füße recht strampfeln laßen.“ Die abschließende Improvisation hat das Pfingstlied „Beistand, Tröster, Heilger Geist“ (1851) zur Grundlage, das im neuen Gotteslob (2013) zu finden ist. „Um die sieben Gaben“ heißt die originale Überschrift. Gemeint sind Weisheit, Verstand, Rat, Stärke, Wissenschaft, Frömmigkeit und Gottesfurcht. Der Verfasser Heinrich Bone (1813–1893) war Gymnasiallehrer, Übersetzer und Herausgeber des einflussreichen Gesangbuches „Cantate“ (1. Auflage 1847). Wie ein Refrain erklingt immer wieder die pfingstliche Bitte „Komm, du Kraft von oben“, die den alten Hymnus „Veni Creator Spiritus“ anklingen lässt, den Bone sehr geschätzt hat. Doch hören wir heute, wie das biblisch-liturgisch inspirierte Lied selbst zur Inspiration des improvisierenden Organisten wird!

Karin Karle, Münstertal, spielt Bach und Bruhns
Pfingstmontag 25. Mai 2015, 17 Uhr; St. Peter, 
Wallfahrtskirche Maria Lindenberg 


Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)

Toccata C-Dur BWV 566a

(spätere Fassung der Toccata E-Dur) 


Nicolaus Bruhns (1665 – 1697)

Choralfantasie „Nun komm, der Heiden Heiland“ 

Präludium e-Moll Nr. 2


Johann Sebastian Bach

Choralbearbeitung „Nun komm, der Heiden Heiland“, BWV 659 

Fantasia super: „Komm, heiliger Geist, Herre Gott“, BWV 651 
Choralbearbeitung „Kommst du nun, Jesu, vom Himmel herunter“, BWV 650 

Kleines harmonisches Labyrinth, BWV 591


Nicolaus Bruhns

Präludium e-Moll Nr. 1


„Er sang mit heller Stimme jene übermütige Melodie, die ich vernommen hatte. In der Hand hielt er eine Geige; der Bogen flog darüber hin; es klang wie die Lerche im Sommer. Und dazu traten im Pedal beide Füße zugleich die 
verspielten Akkorde.“ 

Andreas Nohr


Welche Melodie er gesungen hat, werden wir wohl nie erfahren. Doch bereits der Musikkritiker und Komponist Johann Mattheson überliefert, wie Nicolaus Bruhns als Multitalent an der Orgel gesessen hat: singend und zugleich mit Händen (Geige) und Füßen (Orgelpedal) spielend! Spielen und Singen, das sind ja die beiden Hauptquellen der Orgelmusik. An einer norddeutsch inspirierten Orgel hören wir das frei-virtuose Spielen im „Stylus phantasticus“ – und das Singen auf der Orgel mittels überbordender Verzierungen im „Cantus firmus coloratus“. 

Die Orgelchoräle schlagen einen Bogen vom adventlichen „Nun komm, der Heiden Heiland“ (Cantus firmus in der Oberstimme) über das Pfingstlied „Komm, heiliger Geist, Herre Gott“ (C. f. im Pedal) bis zum wenig bekannten Ewigkeitslied „Kommst du nun, Jesu, vom Himmel herunter“ (C. f. im Alt, aber mit 4‘-Register des Pedals zu spielen), das auf die bekannte Melodie von „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“ gesungen wird. Bruhns‘ Adventschoral zeigt die Vielseitigkeit seiner bis ins Rhapsodische gesteigerten Einfälle. Und Johann Sebastian Bach findet jeweils eine schlüssige musikalische „Übersetzung“ zu den Liedern: im Advent eine „stimmungsvolle Paraphrase, die den Hörer in das Dunkel führt und ihm die Sterne des Himmels verheißungsvoll strahlen lässt“, dann ein groß dimensionierter feierlicher Pfingstjubel, dessen gebrochene Akkorde „die Feuerzungen zu symbolisieren scheinen“ (Albert Schweitzer); und schließlich das Ewigkeitslied aus den „Schübler-Chorälen“ mit ausgelassenen Figurationen der Begleitstimme, die im Kantaten-Original von der Violine gespielt wurden. 


Die Toccata in C-Dur, das Eingangsstück, ist eine spätere Bearbeitung der Bach’schen E-Dur-Toccata. Dieses fünfteilige Werk mit anspruchsvollem Pedalpart führt uns stilistisch gen Norden. Die Entstehung war vermutlich im Zusammenhang der Reise Bachs zu Dieterich Buxtehude nach Lübeck. Die C-Dur-Bearbeitung könnte für eine Orgel mit ungleichstufiger Temperierung entstanden sein, auf der E-Dur in den Ohren des Organisten zu hart geklungen hat. 


Schüler von Buxtehude in Lübeck war auch Nicolaus Bruhns, der in Kopenhagen und Husum gewirkt hat, jedoch schon im Alter von 32 Jahren starb. 12 Kantaten und fünf Orgelwerke sind von ihm überliefert, teilweise in Abschriften von Johann Sebastian Bach, der sich vielleicht auch deshalb für Bruhns interessierte, weil er wie jener Organist und Geiger war. Die beiden Orgelpräludien in e-Moll, das sogenannte „Kleine e-Moll“ und das „Große e-Moll“, zeigen den Erfindungsreichtum dieses Komponisten. Die geradezu ungestüm phantastischen Momente – rhapsodische Passagen, synkopische Gestaltung sowie harmonische und klangliche Überraschungseffekte – paaren sich mit hoher kontrapunktischer Kunst.

Georg Koch, Singen, spielt Bach und Peters
Sonntag 31. Mai 2015, 17 Uhr; 
Wandelkonzert evanglische Kirche Kollnau – Pfarrkirche St. Josef Kollnau 


Evangelische Kirche


Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)

Fantasia in c-Moll, BWV 562


Flor Peeters (1903 – 1986)

Partita „Veni, Creator Spiritus“ 

Aus: Ten Chorale Preludes on Gregorian Hymns, op. 75


Johann Sebastian Bach

Kleines harmonisches Labyrinth, BWV 591


Flor Peeters

Aria, op. 51

Johann Sebastian Bach

Praeludium in c-Moll, BWV 546/1

 

Katholische Kirche


Johann Sebastian Bach

Fuga in c-Moll, BWV 546/2

Choralbearbeitung „Von Gott will ich nicht lassen”, BWV 658

Choralbearbeitung „Nun danket alle Gott”, BWV 657


Flor Peeters

Suite modale, op. 43 (1938)

Choral - Scherzo - Adagio - Toccata



„Der Organist als Interpret soll ein begeisterter Vermittler zwischen Komponist und Publikum sein. Es ist für ihn wichtig zu wissen, wie weit er in seiner persönlichen Annäherung an den Komponisten, den er gerade spielt, gehen kann. Zugleich muss er alle Möglichkeiten der Orgel ausschöpfen, um sich auch mit dem jeweiligen Instrument zu identifizieren.“ 

Floor Peters

Bei diesem Wandelkonzert verbindet Bachs Satzpaar in c-Moll BWV 546 die beiden Kirchen. „Evangelisches“ Präludium und „katholische“ Fuge? Vielleicht hätte das sogar dem protestantischen Thomaskantor gefallen, der ja immerhin in seinem letzten Lebensjahrzehnt eine „große catholische Messe“ in h-Moll geschaffen hat. Überdies darf man an das Zweite Vatikanische Konzil erinnern, das die Türen der Ökumene geöffnet hat, die jedoch musikalisch schon weiter offen standen als theologisch. Als im Jahr 1962 die Konzilsväter in den Petersdom einzogen, spielte Fernando Germani keinen katholischen Komponisten, sondern BWV 546 des Leipziger Thomaskantors! Bachs „freie“ Orgelmusik als Beitrag zur Ökumene. 


Aus Bachs später Sammlung der „18 Leipziger Choräle“ hören wir das von Johann Pachelbels fugierter Orgelkunst inspirierte Stück über „Nun danket alle Gott“ – ursprünglich ein gesungenes Tischgebet, heute ein in ökumenischer Gemeinschaft gesungenes Lied. Die dritte Strophe „Lob, Ehr und Preis sei Gott, dem Vater und dem Sohne, und auch dem Heilgen Geist …“ passt besonders gut zum heutigen Fest Trinitatis. Und was schickt sich besser zu einem Wandelkonzert als das Lied „Von Gott will ich nicht lassen“ (Melodie im Pedal), dessen weltliche Vorlage „Ich ging einmal spazieren“ heißt? Ebenso wie Johann Sebastian Bach war der belgische Komponist Flor Peeters nicht nur ein großer Organist, sondern zugleich ein bedeutender Lehrer an diesem Instrument. 60 Jahre lang war Peeters Organist an St. Romuald, Mecheln. In seiner langen Konzerttätigkeit spielte er über 3000 Orgelkonzerte auf allen fünf Kontinenten. 


Die Orgelwerke von Flor Peeters verbinden verschiedene regionale Einflüsse zu einem unverwechselbaren Personalstil: In der Partita „Veni Creator Spiritus“ steht das niederländisch-kontrapunktische Denken im Mittelpunkt. Die viersätzige „Suite modale“ zeigt hingegen, wie sehr französische Einflüsse auf Peeters, der ein Schüler von Charles Tournemire war, eingewirkt haben. Französische Einflüsse hören wir am Ende und zu Beginn. Bachs Fantasia c-Moll basiert auf einem einzigen Motiv, dessen fünfstimmige Ausarbeitung an französische Vorbilder erinnert. Flor Peeters „Suite modale“ (1938) ist inspiriert von Léon Boëllmanns berühmter „Suite gothique“, nun allerdings „in eher zeitgenössischer modaler Tonsprache“, so der Komponist: ein majestätischer Eröffnungssatz mit selbst erfundenem „Choral“ in der Tradition César Francks, dann ein munteres Scherzo „con spirito“ und ein elegisches Adagio mit Krummhorn 8‘, begleitet von Gemshorn 8‘ und Flöte 4‘ – und zum Schluss noch ein Bravourstück mit allen Raffinessen, die eine Toccata im französischen Stil braucht.

2014

Carsten Klomp, Heidelberg spielt Bach u. Bach-Bearbeitungen
Do 1.5.2014, 17 Uhr; Münstertal, Kath. Pfarrkirche St. Trudpert 


Antonio Vivaldi (1678 – 1741)

Concerto a-Moll op. 3, Nr. 8 

(Allegro) – Adagio – Allegro 

Orgelbearbeitung: Johann Sebastian Bach (BWV 593)


Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)

Praeludium und Fuge D-Dur BWV 874 

aus dem Wohltemperierten Klavier II 

Orgelbearbeitung: Max Reger


Concerto nach italienischem Gusto 

Italienisches Konzert BWV 971 

(Allegro) – Andante – Presto 

Orgelbearbeitung: Carsten Klomp


Invention a-Moll BWV 784 

Dreistimmige Bearbeitung: Max Reger und Max Straube


Chromatische Fantasie und Fuge BWV 903 

Orgelbearbeitung: Max Reger


Choralfantasie über das Lied

„Wo Gott der Herr nicht bei uns hält" BWV 1128


Sinfonia aus der Ratswechselkantate

„Wir danken dir, Gott, wir danken dir“ BWV 29

Orgelbearbeitung: Marcel Dupré


„Anbey kommt an Etwas Musik von Sebastian Sonst genannt: Fantasia chromatica Bleibt schön in alle Saecula.“


Auch im 21. Saekulum bestätigt sich dieses Urteil des ältesten Bach-Sohnes Wilhelm Friedemann. Heute erklingt das berühmte Tastenwerk „Fantasia chromatica“ auf der Orgel, dem wohl bearbeitungsfreudigsten Instrument. In diesem Stil hat Johann Sebastian Bach gewiss auf allen Clavier-Instrumenten improvisiert: virtuos, frei von strengen Taktarten, rezitativisch-deklamierend, harmonisch kühn und höchst affektvoll. In der Chromatischen Fantasie und Fuge schlägt die Geburtsstunde der „Freien Fantasie“. Schließlich bestätigt gerade dieses Werk, was Bachs Zeitgenosse Johann Mattheson am Fantasieren rühmt: Die Fantasien „halten wenig Schranken und Ordnung“, gründen vielmehr „auf guten Einfällen“. Und daran hat es Bach ja nie gefehlt. 

Das Thema Bearbeitung zieht sich wie roter Faden durch das kompositorische Schaffen Bachs und die Geschichte seiner Rezeption. Man denke nur an berühmte Beispiele wie Bachs sechsteiliges Weihnachtsoratorium, dessen Arien und Chöre fast alle durch Bearbeitung weltlicher Vorlagen entstanden sind. Oder an Charles Gounods „Ave Maria“ zur Begleitung des C-Dur-Präludium aus dem ersten Wohltemperierten Clavier. Ganz zu schweigen von Favoritstücken wie die berühmte „Air", die in allen möglichen und unmöglichen Besetzungen erklingen kann. 


Zum Auftakt der diesjährigen Konzertreihe ergänzen sich verschiedene Facetten zu einem bunten Bild der Bach-Bearbeitungen. Bach „arrangiert“ Werke seiner Zeitgenossen für die Orgel wie etwa das Concerto a-Moll aus Vivaldis berühmter Sammlung „L’estro armonico“ (Amsterdam 1711). Dabei ergibt sich die klangliche Reduktion auf einen Spieler. Zugleich aber erweitert der Weimarer Hoforganist damit auch die spieltechnischen Möglichkeiten, etwa mit häufigen Manualwechseln und Doppelpedal. Und er lernt durch dieses Arrangieren die modernen Prinzipien des italienischen Konzertierens, indem er sie für seine organistische Praxis aufführbar macht. 


Nicht unumstritten war von an Anfang der Versuch von Max Reger und Karl Straube, Bachs zweistimmige Inventionen, ein Lehrwerk des Tastenspiels und der Komposition, zu einer Schule des Triospiels auf der Orgel auszugestalten. Doch hier gilt der Grundsatz „Wer kann, der darf!“ Eine gleichsam potenzierte Bearbeitung hören wir dann im letzten Werk. Aus einem denkbar klein besetzten Satz, dem „Preludio“ für Violine solo (Sonate E-Dur, BWV 1006, um 1720), macht Bach ein Werk für große Besetzung, nämlich mit konzertierender Orgel und Orchester als festlich-virtuoser Eingangssatz der Leipziger Ratswechselkantate „Wir danken dir, Gott, wir danken dir“ (1731). Auf diese komponierte Ausweitung Bachs folgt in der Bach-Rezeption des 20. Jahrhunderts wiederum eine Reduktion, wenn Marcel Dupré den hinreißenden Satz für Orgel solo bearbeitet. Nun muss der Spieler das Solo mitsamt Begleitung zum Klingen bringen. Aber dafür ist die Orgel ja wie geschaffen.

Karin Karle, Münstertal spielt Bach und Schumann
So 4.5.2014, 17 Uhr; Bad Bellingen-Bamlach Kath. Pfarrkirche 
St. Peter und Paul 


Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)

Präludium h-Moll BWV 544,1


Robert Schumann (1810 – 1856)

Aus: Studien für den Pedalflügel op. 56 

Sechs Stücke in kanonischer Form: 

Nr. V: Nicht zu schnell


Johann Sebastian Bach

Fuge h-Moll BWV 544, 2


Robert Schumann

Aus: Skizzen für den Pedalflügel op. 58

I. Nicht schnell und sehr markiert


Johann Sebastian Bach

Choralfantasie über das Lied 

„Wo Gott der Herr nicht bei uns hält“ BWV 1128


Robert Schumann

Aus op. 58: Skizze II. 

Nicht schnell und sehr markiert


Johann Sebastian Bach

Triosonate Nr. 6 G-Dur BWV 530 

Vivace – Lento – Allegro


Robert Schumann

Aus op. 58: Skizze III.

Lebhaft


Johann Sebastian Bach

Aus dem Orgelbüchlein 

„Wenn wir in höchsten Nöten sein“ BWV 641


Robert Schumann

Aus op. 58: Skizze IV.

Allegretto 

Aus den „Sechs Fugen über den Namen BACH“ op. 60

I. Langsam – Nach und nach schneller und stärker

„... sechs größere Fugen über den Namen BACH für Orgel, aber auch auf dem Clavier gut ausführbar, zum Teil sehr brilliant; es ist dies eine Arbeit, an der ich das ganze vorige Jahr gearbeitet, um es in etwas des hohen Namens, den es trägt, würdig zu machen, eine Arbeit, von der ich glaube, dass sie meine anderen vielleicht am längsten überleben wird.“ 

 

Mit diesen Zeilen bot Schumann seine „Fugen-Gedanken“ in einem Brief vom 15. März 1846 dem Verlag an. Das „vorige Jahr“ war das Jahr seines psychischen Zusammenbruchs, die „Fugenpassion“ vielleicht eine Art kompositorische Therapie. Die BACH-Fugen sind Schumanns einziges für die Orgel geschriebenes Werk. Die Studien und Skizzen für den Pedalflügel sind einem Instrument zugedacht, dem nur eine kurze Verweildauer in der Musikgeschichte beschieden war, nämlich von ca. 1840 bis 1910. Vorläufer waren die Übeinstrumente der Tastenspieler, also Pedal-Clavicorde oder Pedal-Cembali, die es aus praktischen Gründen reichlich gegeben hat. 

 

Der Pedalflügel hat eine Pedalklaviatur mit eigenen, besonders dicken Saiten. Ein solches Instrument kam im Jahr 1845 im Haushalt von Clara und Robert Schumann an, wie ein Tagebucheintrag Claras belegt: „Am 24. April erhielten wir ein Pedal unter den Flügel zur Miete, was uns viel Vergnügen schaffte. Der Zweck war uns hauptsächlich, für das Orgelspiel zu üben. Robert fand aber bald ein höheres Interesse für dies Instrument und komponierte einige Skizzen und Studien für den Pedalflügel, die gewiß großen Anklang als etwas ganz Neues finden werden.“ 

 

Robert Schumanns Hoffnung, dass der Pedalflügel durch seine „wunderbaren Effekte“ einen „neuen Schwung in die Claviermusik“ bringen wird, sollte sich allerdings nur sehr begrenzt erfüllen. Heute sind die für das seltene Instrument komponierten Werke eine willkommene Erweitung des Orgelrepertoires mit erlesenen romantischen Charakterstücken. 

 

Romantische Klangwelten auch bei Bach! In Präludium und Fuge h-Moll schlägt er einen für seine Orgelwerke eher ungewöhnlichen elegischen bis melancholischen Ton an, gepaart mit formaler Strenge. Der Bachforscher Philipp Spitta spricht von „romantischen Irrgärten, wie sie kein neuer Komponist zauberreicher hätte erfinden können“. Eine besonders treffende Beschreibung verdanken wir Albert Schweitzer: „Das Präludium ist in Wirklichkeit ein symphonischer Satz, in welchem ein machtvolles Hauptthema und mehrere Nebenthemen, alle durch denselben rhythmischen Gedanken untereinander verbunden, sich in kühnem Spiel miteinander auseinandersetzen. Das Thema der Fuge besteht aus einem aufsteigenden Bogen gleichmäßiger Achtel. Wie träumend zieht es einher. Die Sechzehntelbewegung der kontrapunktischen Stimmen bringt es zum Erwachen.“

Stefan Pöll spielt Bach und D. Scarlatti 
So 11.5.2014, 17 Uhr; Opfingen, evang. Bergkirche 


Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) 

Fantasia in a BWV 944 

„O Lamm Gottes unschuldig“ BWV 1095 (Neumeister-Sammlung) 

Sonata D-Dur BWV 963 


Domenico Scarlatti (1685 – 1757) 

Sonata K.30 („Katzenfuge“) 

Sonata K.11 

Sonata K.141 

Sonata K.159 

Sonata K.87 

Sonata K. 58, Fuga 


Johann Sebastian Bach 

Toccata in e BWV 914 

„Wie nach einer Wasserquelle“ BWV 1119 (Neumeister-Sammlung) 

Fantasia in a BWV 904


„Eine Katze schoss aus dem Garten herein, glitt durch das ziselierte Eisengitter des Türbogens – dessen geschmiedete Arabesken bedeuteten: Gott ist groß, und es gibt nur einen davon, was aber die jetzigen Bewohner des Palastes nicht mehr wussten – und sauste diagonal durch den Raum auf das Cembalo zu, nahm im Schwung den Hocker und stürzte sich dann schräg auf die Tasten, mit den Vorderpfoten zuerst. Nach einer kleinen Terz aus dis und fis brach der Katzenkörper über die Mittellage des Achtfuß herein: Ein Tastenhaufen knirschte, durchaus Zukunftsmusik und dem zeitgenössischen galanten Stil wesensfremd. Ein für Katzenohren gewaltiges Rauschen stand nun in der Stille des Nachmittags wie eingefrorene Brandung, dann zitterte der dissonante Akkord an den Rändern noch etwas, des Katers Dehnen und Strecken nachzeichnend, und klang dann dunkel aus. Als letztes senkte sich der Schwanz auf die Tasten herab, gut eine Oktave des Diskants durchmessend, doch er war zu leicht und tönte nicht.“

Nicht nur über Johann Sebastian Bach wurden schon Romane geschrieben. Das einleitende Zitat stammt aus dem Scarlatti-Roman „Klang des Verbotenen“ von Reinhard Febel und beschreibt die legendäre Entstehung der heute zu hörenden „Katzenfuge“. 


Bach und Scarlatti. Auch wenn sie sich nicht persönlich gekannt haben, wussten sie doch voneinander. Beide sind im selben Jahr geboren und haben entscheidenden, aber je verschiedenen Anteil an der Entwicklung der Tastenkunst. Der auf Bach gemünzte Ausspruch eines Leipziger Ratsherrn aus dem Jahr 1723 passt auch zu Scarlatti: „Er excelliert auf dem Clavier“. Welche Tasteninstrumente dabei genau gemeint sind, bleibt offen. Und das ist der Reiz des heutigen Orgelkonzerts, das Tastenwerke präsentiert, die nicht so oft zu hören sind. 


Domenico Scarlatti wirkte in Italien, Portugal und Spanien. Seine Sonaten sind zum größten Teil als Übungsstücke bzw. Etüden konzipiert, unter anderem für die Prinzessin Maria Bárbara Sie glänzen durch virtuose Passagen, oft mit Elementen aus der Volksmusik. Polyphonie ist nur rudimentär eingesetzt und auf kleine Imitationen beschränkt. Doch wer die Vokalwerke Scarlattis kennt, etwa sein Stabat Mater oder die Misa de Madrid, der weiß, dass er auf diesem Gebiet ein kontrapunktischer Meister war, der den Vergleich mit Bach oder Händel nicht scheuen musste. Die beiden Fugen K.58 und K.30 zeigen dies deutlich! Letztere ist als „Katzenfuge“ bekannt geworden. 


Die beiden Orgelchoräle „O Lamm Gottes unschuldig“ und „Wie nach einer Wasserquelle“ aus der 1985 in der Yale University entdeckten „Neumeister-Sammlung“ beleuchten Bachs religiös-lyrische Seite. Die Fantasien in a-Moll sowie die Toccata in e hingegen sind als virtuose Cembalo-Musik entstanden. Vor allem die (Doppel)-Fugen eignen sich aber auch bestens zur Darstellung auf der Orgel. BWV 944 mit dem durchgehenden Laufwerk erinnert sogar eher an die Sonaten von Domenicos Vater Alessandro Scarlatti.

Johannes Götz spielt Bach und Buxtehude
So 18.5.2014, 17 Uhr; St. Peter, Wallfahrtskirche St. Marien 
auf dem Lindenberg 


Dieterich Buxtehude (1637 – 1707) 

Magnificat Primi Toni BuxWV 203 

Partita „Auf meinen lieben Gott“ BuxWV 179 

Passacaglia in d BuxWV 161

 

Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) 

„Herr Jesus Christ, dich zu uns wend“

á 2 claviers e pédale BWV 655 

Fantasia et Fuga in g BWV 542

Choralfantasie über das Lied 

„Wo Gott der Herr nicht bei uns hält“ BWV 1128


Dietrich Buxtehude
Präludium in d BuxWV 140 
„Danket dem Herrn“ BuxWV 181 

Präludium in C BuxWV 137


„In Arnstadt bewog ihn einstmals ein besonderer starker Trieb, den er hatte, so viel von guten Organisten, als ihm möglich war, zu hören, dass er, und zwar zu Fuße, eine Reise nach Lübeck antrat, um den dasigen berühmten Organisten an der Marienkirche Dieterich Buxtehude, zu behorchen. Er hielt sich daselbst, nicht ohne Nutzen, fast ein Vierteljahr auf ...“

Wenige Sätze aus dem Nekrolog auf J. S. Bach belegen seine frühe Orientierung gen Norden, die im heutigen Konzert eine mehrfache Rolle spielt. Bereits dem zwanzigjährigen Arnstädter Organisten Bach war die norddeutsche Orgelkunst in Grundzügen vertraut. Deren Leitstern aber, Dieterich Buxtehude in Lübeck, musste er einfach persönlich kennen lernen! Bach nahm vier Wochen Urlaub und blieb etwa drei Monate lang fort. Meisterliches Orgelspiel und große oratorische Aufführungen konnte er in Lübeck erleben, vermutlich sogar mitwirken. Außerdem lernte er das künstlerische Selbstverständnis des bürgerlichen Musikers Buxtehude kennen. Die Schwierigkeiten danach mit dem Arnstädter Konsistorium wegen Urlaubsüberschreitung und Vernachlässigung der Dienstpflichten sind aktenkundig geworden. 

Gut 300 Jahre später schaute ein ähnliches, nun katholisches Konsistorium, der Stiftungsrat der Wallfahrtskirche Maria Lindenberg, gen Norden. Es ging um den Orgelbau, weil das bisherige Instrument der viel besuchten Wallfahrtskirche einem Neubau weichen sollte. Nach einigen Überlegungen und Besuchen bei Orgeln fand man in der renommierten Firma Ahrend in Leer, Ostfriesland, die richtige Adresse. Das im Advent 2013 geweihte Instrument vereint norddeutsche und Tiroler Züge in sich und bereichert so die Orgellandschaft der Regio. 


Von Dieterich Buxtehude erklingen Werke seines organistischen Spektrums: gleich zu Beginn ein konzertant-virtuoses Magnificat im ersten Psalmton zu Ehren der auf dem Lindenberg seit etwa 1500 verehrten Gottesmutter; der protestanische Choral „Auf meinen lieben Gott“ dann in Suiten-Form. Die Passacaglia in d zeigt, von den Zahlen drei (göttliche Trinität) und vier (irdische Himmelsrichtungen) ausgehend, mathematische Ordnungsstrukturen mit 4-tönigem Bass und insgesamt 4x7 Variationen. 


In der Mitte des Programms klingt eine weitere Reise gen Norden nach. Von Köthen aus besuchte Bach die Hansestadt Hamburg im Herbst 1720. An der Arp-Schnitger-Orgel von St. Jakobi – Jürgen Ahrend hat diese größte erhaltene Orgel des norddeutschen Typs vor 20 Jahren in einem beispielhaften Projekt restauriert – spielte Bach im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens. Unter anderem erklangen die Kantate „Ich hatte viel Bekümmernis“ (Frühfassung) und als Ausweis der Bach’schen Orgelkunst Fantasie und Fuge g-Moll. Im Blick auf Bachs berufliche Laufbahn blieb diese Reise gen Norden jedoch erfolglos. Sonst wäre wohl Hamburg zur „Bach-Stadt“ geworden und nicht Leipzig!

Heinrich Walther spielt Bach und Usandizaga 
So 25.5.2014, 17 Uhr; Freiburg-Zähringen, Kath. Pfarrkirche St. Blasius 


Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)
Triosonate Nr. 5 C-Dur BWV 529 Allegro – Largo – Allegro

José Maria Usandizaga (1887 – 1915)
Ouverture Symphonique sur un Thème de Pleint Chant* op.20 (1904/05)

Johann Sebastian Bach
Choralfantasie über das Lied „Wo Gott der Herr nicht bei uns hält“ BWV 1128

José Maria Usandizaga
Fantasia (1908)

Johann Sebastian Bach
Trio über den Choral „Allein Gott in der Höh sei Ehr“ BWV 664 aus den „Leipziger Chorälen“
 
José Maria Usandizaga
„Irurak Bat“ op. 35* Rhapsodie sobre tres cantos vascongados
(Rhapsodie über drei baskische Volkslieder)

Johann Sebastian Bach 
Praeludium und Fuge G-Dur BWV 541
 

* Orgelübertragungen von Heinrich Walther 2013/14


„Bachs Musik ist beruhigend, sie befriedigt Herz und Geist; sie macht den Menschen besser!" 
(Alexandre Guilmant)


Zwei Besonderheiten prägen das heutige Konzert: erstmals rückt das Baskenland in den Horizont der Bach-Regio-Reise; und einige der Orgelbearbeitungen erklingen als Orgel-Uraufführungen! Wer aber war José Maria Usandizaga? Er ging jung und hochbegabt nach Paris, um Kompositionsschüler von Vincent d’Indy an der Schola Cantorum zu werden. D’Indy war ein profunder Kenner nicht nur des deutschen Repertoires mit Liszt und Wagner, sondern auch der russischen Musik des 19. Jahrhunderts. 

Die Romantik war weitgehend „ausentwickelt“, ja fast schon Vergangenheit, der Impressionismus hatte noch viel vor sich. Noch befindet man sich in der Epoche der Tonalität. Usandizaga fand mit Hilfe seiner Lehrer, was er suchte. Seine eigentliche musikalische Sprache ist die des Orchesters, und zwar in der sinfonischen Dichtung, in der Gattung des Singspiels („Zarzuela“) und in der Oper. Er zeigt sich als Meister der Instrumentation und lotet die klanglichen Randbereiche neu aus: höchste Lagen der Violinen, Verwendung der Kontrabässe ähnlich dem 32’-Register großer Orgeln. 


Allerdings ist der überaus interessante Komponist aus San Sebastian bei uns kaum bekannt. Im Baskenland lebten damals sehr viele begabte Musiker, die meisten waren direkt durch die damalige „Musikszene“ in Paris beeinflusst. So war es auch im Orgelbau: Zwischen dem Baskenland und Frankreich herrschte lebhafter Austausch. Auch bedeutende, späte Orgeln von Cavaillé-Coll und anderen Meistern legen davon Zeugnis ab (z. B. in San Sebastian, Azkoitia, Loyola). 


Die Orgel interessierte ihn anfänglich sehr, aber seine Interessen waren breiter gefächert. Das neue Instrument von Claudius Winterhalter in Zähringen hat Timbres, die für diese Musik perfekt passen, nicht zuletzt das fantastische Cor Anglais. Diesem Instrument, dem Englisch Horn, hat Usandizaga viele Cantilenen anvertraut, besonders in der „Ouverture Symphonique sur un Thème de Plein Chant“. 


Die neben dem „Pflichtstück“ heute erklingenden Bach-Werke sind vom Gestus virtousen Konzertierens geprägt. Die Triosonate C-Dur ergeht sich im dialogischen Spiel (Satz 1) und in melismatischer Freiheit (Satz 2), bevor eine „konzertante Fuge“ das Werk beschließt. Das Trio über den wohl frühesten protestantischen Choral „Allein Gott in der Höh sei Ehr“ (Nicolaus Decius) ist ähnlich fugiert gearbeitet und bringt die Liedmelodie nur am Ende und in verkürzter Form in der Pedalstimme. Präludium und Fuge G-Dur (BWV 541) hat Bach 1731 in Dresden gespielt. Albert Schweitzer fasst die Botschaft dieses Werkes so zusammen: „Es liegt etwas wie sonniger Himmel über diesem Präludium und dieser Fuge. Sie predigen eine große, heitere Zuversicht, die die Sorge aus bekümmerten Herzen austreibt.“

Hae-Kyung Jung spielt Bach und C.P.E. Bach
Do 29.5.2014, 17 Uhr; Ehrenkirchen-Kirchhofen, 
Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 


Carl Philipp Emanuel Bach (1714 – 1788)

Fantasia e Fuga V a 4 c-Moll Wq 119/7


Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)

Triosonate Nr. 2 c-Moll BWV 526 

Vivace – Largo – Allegro

Aus dem Orgelbüchlein: 

„Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ“ BWV 639


Carl Philipp Emanuel Bach

„Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ“ BWV Anh. II 73


Johann Sebastian Bach

Choralfantasie über das Lied 

„Wo Gott der Herr nicht bei uns hält“ BWV 1128


Carl Philipp Emanuel Bach

Sonate g-Moll Wq 70/6


Johann Sebastian Bach

Praeludium und Fuge c-Moll BWV 546


„In der Kompostition und im Clavierspielen habe ich nie einen andern Lehrmeister gehabt, als meinen Vater.“


So fasst der vor 300 Jahren in Weimar geborene Carl Philipp Emanuel Bach seine musikalische Ausbildung zusammen. Und einiges gelang dem zweitältesten Sohn, was selbst dem Vater noch verwehrt geblieben war: ein akademisches Studium an den Universitäten Leipzig und Rostock, außerdem die Publikation eines höchst einflussreichen und Maßstäbe setzenden musikalischen Lehrwerkes mit dem Titel „Versuch über die wahre Art, das Clavier zu spielen“. 

Seine Bewerbungen um das Thomaskantorat Leipzig allerdings sind gescheitert. Nach einer höfischen Anstellung als Kammercembalist bei Friedrich dem Großen in Potsdam wechselt er – als Nachfolger seines Patenonkels Georg Philipp Telemann – in die Hansestadt Hamburg, wo er für die Musik der Hauptkirchen verantwortlich war. Zu den Vokalwerken des kompositorisch erfolgreichsten Bach-Sohnes zählen ein opulentes Magnificat und ein Oratorium über die „Auferstehung und Himmelfahrt Jesu“. 


Carl Philipp Emanuel Bachs Motto heißt: „Aus der Seele muss man spielen und nicht wie ein abgerichteter Singvogel.“ Geistesgeschichtlich gehört er in die Epoche der Empfindsamkeit, die auch Züge des „Sturm und Drang“ sowie der Aufklärung in sich vereint. Seine Orgelsonaten waren vielleicht für Prinzessin Anna Amalia bestimmt. Jedenfalls liest man bei Johann Nikolaus Forkel den Hinweis: „NB. Diese 4 Orgel-Solos sind für eine Prinzessin gemacht, die kein Pedal und keine Schwierigkeiten spielen konnte, ob sie sich gleich eine schöne Orgel mit 2 Clavieren und Pedal machen ließ, und gerne darauf spielte.“ 


Ein besonderes Augenmerk richtet der zweitälteste Bach-Sohn auf die Fantasie. Im „Versuch“ schreibt er hierzu: „Das Schöne der Mannigfaltigkeit empfindet man auch bey der Fantasie. Bey der letztern müssen allerhand Figuren und alle Arten des guten Vortrages vorkommen. Lauter Laufwerk, nichts als ausgehaltene oder gebrochene vollstimmige Griffe ermüden das Ohr. Die Leidenschaften werden dadurch weder erregt noch gestillet, wozu doch eigentlich eine Fantasie vorzüglich sollte gebrauchet werden.“ 


Zahlreiche Werke des Vaters wie das Credo der h-Moll-Messe hat er aufgeführt, etliche in Bearbeitungen. So erklang in Hamburg das „Jauchzet, frohlocket, auf preiset die Tage“ sogar als festliche Ostermusik, zumal der ursprüngliche Kontext aus dem Text nicht ersichtlich ist und wohl niemandem außer dem Dirigenten bekannt war. Ein Beispiel ähnlicher Bearbeitungspraxis hören wir anhand des Orgelbüchlein-Chorals „Ich ruf zu dir, Herr Jesus Christ“. Das Orginal ist der einzige Triosatz im Orgelbüchlein, mit cantabler Melodie in Vierteln, pulsierendem Bass in Achteln und einer figurierten Mittelstimme in Sechzehnteln. Die von Carl Philipp Emanuel Bach stammende Bearbeitung trägt die Überschrift „Vorspiel auf das Lied ‚Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ‘“ und erweitert den Orgelchoral um eine kurze Einleitung und ein Nachspiel.

Hannfried Lucke, Salzburg spielt Bach und Mozart 
So 1.6.2014, 17 Uhr; St. Peter, Barockkirche 


Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791) 

Fantasie f-Moll KV 594 

 

Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) 

Fantasia super „Komm, heiliger Geist“ BWV 651a 

 Choralbearbeitung 

„Wir glauben all‘ an einen Gott, Vater“ BWV 740 

 Choralfantasie über das Lied 

„Wo Gott der Herr nicht bei uns hält“ BWV 1128 


Wolfgang Amadeus Mozart 

Adagio h-Moll KV 540 


Johann Sebastian Bach 

Triosonate Nr. 6 G-Dur BWV 530 

Vivace – Lento – Allegro 


Wolfgang Amadeus Mozart 

Leipziger Gigue KV 574 


Johann Sebastian Bach 

Präludium und Fuge C-Dur BWV 547


„Er ist der Vater, wir die Bub’n. Wer von uns was Rechtes kann,
hat von ihm gelernt.“
(W. A. Mozart)


Orgelmusik spielt in Mozarts veröffentlichten Werken nur eine Nebenrolle, aber eine gewichtige. Auf Reisen spielte er bereits als Kind auf dem „König aller Instrumenten“, so in Ybbs an der Donau. Voller Stolz berichtet Vater Leopold, dass „sich unser Wolferl auf der Orgel so herumtummelte und so gut spielte, daß die P. P. Franziskaner, die eben mit einigen Gästen bey der Mittagstafel saßen, samt ihren Gästen das Essen verließen, dem Chor zulieffen, und sich fast zu Todt wunderten“. 

Die großen überlieferten Orgelstücke Mozarts sind für Musikautomaten bestimmt. Adagio und Allegro in f für ein Orgelwerk (KV 594) erklang in einem Mausoleum, das dem 1790 verstorbenen österreichischen Feldmarschall Gideon Freiherr von Laudon gewidmet war. Die Wiener Zeitung berichtet, dass sich „jede Stunde eine Trauer Musique hören lässt, und wird alle Woche eine andere seyn. Diese Woche ist die Composition von Hrn. Capellmeister Mozart“. Nicht nur der traurig-tröstliche Grundcharakter ist zu hören. Auch Reminiszenzen an die Siege des Feldherrn will Mozarts Musik wachrufen. Die kurze Leipziger Gigue datiert Mozart selbst auf den 16. Mai 1789, dem letzten Tag seines Aufenthaltes in Leipzig, sozusagen auf den Spuren Bachs. Doch auch Bezüge zu Händel wurden schon in diesem Werk entdeckt. Das Kabinettstück spielt mit der Bach’schen Fugenkunst, indem es sich ihr nähert und zugleich immer wieder mit Scheineinsätzen und synkopischen Verschleierungen ausweicht. „Umwerfend in seiner chromatischen Kühnheit“ kommentiert der Pianist Alfred Brendel, der auch das Adagio h-Moll charakterisiert: Hier „führt Mozart Sebstgespräche“. Deren Themen sind tiefgründig und melancholisch, changierend und nachdenklich. 


Umrahmt wird Mozarts Gigue von Bachs fanfarenhaftem „Neun-Achtel-Präludium“ und der majestätischen Fuge in C-Dur sowie seiner sechsten Triosonate. Über sie lesen wir in einer Rezension aus dem 19. Jahrhundert: „Die Sonaten schrieb Bach für seinen ältesten Sohn Friedemann, um ihn damit zu dem großen Orgelspieler vorzubereiten, der er nachmals geworden ist“. Sie sind eine Orgelschule „für bereits ausgebildete Orgelspieler, die an diesen Sonaten ihre erlangte Fertigkeit immer im Schwunge erhalten können, da das Triospiel das Übendste, aber auch Schwerste auf der Orgel ist. Also sie bilden eine – Meisterschule“. 


Als Ausblick auf das Pfingstfest erklingt Bachs Orgelchoral „Komm, heiliger Geist“ in der frühen Weimarer Fassung. Virtuos in den Oberstimmen auflodernde Sechzehntelfiguren versinnbildlichen die Feuerzungen zur Begleitung einiger Zeilen des majestätischen Cantus firmus im Pedal. Das alte Pfingstlied geht auf die Antiphon „Veni Sancte Spiritus“ zurück und schlägt einen hymnologischen Bogen zum diesjährigen Pflichtstück der Reihe „Mit Bach durch die Regio“. Beide Lieder wurden 1524 im „Erfurter Enchiridion“ veröffentlicht, einer Sammlung reformatorischer Choräle in der Art eines Handbüchleins.

2013

Wolfgang Zehrer, Hamburg, spielt Bach und Reincken
Mittwoch 1. Mai 2013, 17:00 Uhr; Münstertal, Katholische Pfarrkirche 
St. Trudpert 


Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)
Fantasie G-Dur »Pièce d'orgue« BWV 572
Très vitement – Gravement – Lentement

Johann Adam Reincken (ca. 1643 – 1722)
Fuge in g

Johann Sebastian Bach
Triosonate d-Moll BWV 527
Andante – Adagio e dolce – Vivace

Johann Adam Reincken
Phantasie über den Choral »An Wasserflüssen Babylon«

Johann Sebastian Bach 
Praeludium und Fuge g-Moll BWV 535



Die Orgeln

Hauptorgel: Klais, Bonn, 1963. Drei Manuale, 38 Register

Chororgel: Pfaff, Überlingen, 1986. Zwei Manuale, 19 Register

Der junge Bach und sein Hamburger Vorbild


Das Eröffnungskonzert führt uns in Bachs Jugendzeit. Bald nach 1700 streckte er als Schüler der Michaelisschule Lüneburg seine Fühler gen Norden aus. Mehrmals reiste der junge, fast mittelose Organist nach Hamburg, um dort Johann Adam Reincken zu besuchen, den wohlhabenden und hoch angesehenen Senior seiner Zunft. Auf solchen »Wallfahrten« vertiefte Bach seine Kenntnis der norddeutschen Orgelmusik. Der aus den Niederlanden stammende Reincken hatte in Hamburg bei Heinrich Scheidemann studiert, dessen Nachfolger er dann an der Hauptkirche St. Katharinen wurde – ein renommiertes Amt, das er über Jahrzehnte ausgeübt hat. Er galt als großer Improvisator, und vielleicht sind auch deshalb nur wenige Kompositionen für Orgel aus seiner Feder überliefert. Der junge Bach wiederum schätzte nicht nur Reincken, sondern auch desssen Orgel überaus. Erst im Jahr 2006 wurde in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek Bachs eigenhändige Abschrift von Reinckens heute zu hörender Choralphantasie »An Wasserflüssen Babylon« (Psalmlied über den Klagepsalm 137, erstmals überliefert Straßburg 1525) entdeckt. 


Und dennoch ist die norddeutsche Orgelmusik nur eine der vielen Inspirationsquellen Bachs. Französische Einflüsse prägen die in Weimar entstandene »Pièce d'orgue«, eines der wenigen freien Orgelwerke Bachs ohne Fugensatz. Bach gibt nicht nur den Titel in französischer Sprache an, sondern auch die Vortragsbezeichnungen der drei Sätze. »Très vitement« ist das flirrende Passagenwerk des ersten Satzes überschrieben, das »Gravement« erklingt als ausdrucksstarker und dissonanzenreicher fünfstimmiger Satz, und mit dem »Lentement« kehrt Bach zum Duktus des Anfangs zurück, den er am Ende chromatisch anreichert. Bachs Triosonaten für Orgel sind die hohe Schule der spielerischen Unabhängigkeit von Händen und Füßen. Johann Nikolaus Forkel, der erste Biograph des Thomaskantors, befand: »Man kann von ihrer Schönheit nicht genug sagen.« Und Schönheit ohne Worte war auch für Bach – durchaus in alter Tradition – ein Weg der Frömmigkeit, denn "bey einer andächtigen Musique ist allezeit Gott mit seiner Gnaden-Gegenwart«, wie er es in seiner letzten Lebensphase als Bibel-Randnotiz formuliert hat. 


Doch nochmals nach Hamburg. Bei der vielleicht wichtigsten Begegnung Bachs mit Reincken im Jahr 1722 spielt wiederum der Choral »An Wasserflüssen Babylon« eine Rolle, den Bach als Sechzehnjähriger auf Notenpapier seines Lüneburger Lehrers Georg Böhm abgeschrieben hat. Der nunmehr 27-jährige Bach hatte sich von Köthen aus erfolglos auf die Organistenstelle von St. Jakobi beworben, aber auch ein zweistündiges Konzert in der Katharinenkirche gegeben. Davon berichtet der Nekrolog: »Der alte Organist an dieser Kirche, Johann Adam Reincken, der damals bey nahe hundert Jahre alt war, hörete ihm mit besonderem Vergnügen zu, und machte ihm, absonderlich über den Choral »An Wasserflüssen Babylon«, welchen unser Bach, auf Verlangen der Anwesenden, aus dem Stegreife, sehr weitläufig, fast eine halbe Stunde lang, auf verschiedene Art ausführete, folgendes Compliment: Ich dachte, diese Kunst wäre gestorben, ich sehe aber, dass sie in Ihnen noch lebet.«

Heinrich Walther, Colmar, spielt Bach und Prätorius
Sonntag, 5. Mai 2013, 17 Uhr; Freiburg, Universität, KG I, Aula 


Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)
Praeludium g-Moll BWV 535/1 frühe Fassung aus der Möllerschen Handschrift
Praeludium und Fuge g-Moll BWV 535 späte Fassung

Hieronymus Praetorius (1560 – 1629)
Kyrie Martyrium Kyrie – Christe – Kyrie ultimum

Johann Sebastian Bach
Aus dem »Orgelbüchlein«:
»Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ« BWV 639
»Liebster Jesu, wir sind hier« BWV 634
»Vater unser im Himmelreich« BWV 636

Jakob Praetorius (1586 – 1651)
Choralbearbeitung »Vater unser im Himmelreich« in sieben Versen

Johann Sebastian Bach
Aus »Die Kunst der Fuge« BWV 1080: Contrapunctus I Contrapunctus X

Jakob Praetorius
»Christum wir sollen loben schon«

Johann Sebastian Bach 
Toccata d-Moll BWV 538/1 (»Dorische«) 
Contrapunctus XIV (Fragment aus der »Kunst der Fuge«) 
mit dem von Helmut Walcha komponierten Schluss
 

Eingang: Kollegiengebäude I, Platz der Universität 3, gegenüber der Mensa



Die Orgel

Praetorius-Orgel

Walcker, Ludwigsburg, 1955

3 Manuale, 27 Register

Der Thomaskantor an der Universität


In Leipzig war Johann Sebastian Bach, der selber weder ein Hochschulstudium noch einen akademischen Titel vorweisen konnte, nicht nur Thomaskantor und Generalmusikdirektor der Messestadt, sondern auch Musikdirektor der Universität. Dieses Amt, das er mit einem Kollegen namens Görner zu teilen hatte, umfasste neben der Mitwirkung bei Universitätsgottesdiensten auch die Musik zu Promotions- und Trauerfeiern. Überdies erleichterte es dem Thomaskantor die Pflege von Kontakten zu musikalisch hochbegabten Studenten, deren Namen wir in Bachs kirchenmusikalischen Besetzungslisten wiederfinden. Vor allem aber war die »musikalische Wissenschaft« zeitlebens ein großes und faszinierendes Thema für Bach. 


Erstmals macht die Orgelreihe »Mit Bach durch die Regio« Station in der Universität Freiburg. Dort erklingt die berühmte »Praetorius-Orgel«, die nach dem Komponisten und Musiktheoretiker Michael Praetorius (1571 – 1621) benannt ist. Eine erste Praetorius-Orgel war auf Initiative des Musikwissenschaftlers Wilibald Gurlitt bereits im Jahr 1912 von der Firma Walcker gebaut worden. Doch dieses Instrument der beginnenden »Orgelbewegung« ging 1944 in Flammen unter. Im Jahr 1955 kam es, wiederum mittels einer Disposition von Michael Praetorius, zu einem zweiten Rekonstruktionsversuch, nun in der Aula des Kollegiengebäudes I. Die heutigen Praetorius-Werke stammen von Hieronymus (Vater) und Jakob (Sohn), die beide in Hamburg gewirkt haben, allerdings mit Michael Praetorius nicht verwandt sind. 


Das Präludium des diesjährigen »Pflichtstücks« BWV 535 erklingt in zwei Fassungen. Dies zeigt, wie intensiv Bach an bereits komponierten eigenen Werken weiter gefeilt hat, bisweilen bis die endgültige Stufe eines »Exemplum« im Sinne der mustergültigen Lösung einer kompositorischen Aufgabe erreicht war. Eine zusätzliche Facette des »wissenschaftlich« durchdachten und durchkomponierten Exemplum begegnet uns im Weimarer »Orgelbüchlein«: in Bachs Handschrift finden wir viele Seiten mit Choral-Überschriften, aber gänzlich ohne Noten! Die Aufgabe war offenbar erschöpft und Bach wollte sich nicht unnötig wiederholen – eine wahrhaft akademische Tugend. 


In seinem letzten Lebensjahrzehnt war Bach darum bemüht, sich von manchen kantoralen Amtsaufgaben zu entlasten, um sich zwei großdimensionierten »Exempla« mit wiederum wahrhaft wissenschaftlichem Anspruch zu widmen: der h-Moll-Messe und der »Kunst der Fuge«. Während die Missa komplett überliefert ist und nur der Bach'sche Titel fehlt – womöglich dürfte er sogar »Die Kunst der Messe« lauten – , kennen wir vom zweiten Werk zweifelsfrei die Überschrift, nicht aber den Schluss der sogenannten Quadrupelfuge, die das Werk gleichsam krönen sollte. Vielleicht war die »Kunst der Fuge« sogar als letzter Beitrag Bachs zu der von Lorenz Mizler geleiteten »Correspondierenden Societät der Musicalischen Wissenschaften» ausersehen. Diesem gelehrten Zirkel, der in manchen Aspekten als Vorläufer der späteren und heutigen Musikwissenschaft gelten darf, war der Thomaskantor im Jahr 1747 nach Telemann, Händel und Graun als 14. Mitglied beigetreten.

Stephen Tharp, New York, spielt Bach und George Baker 
Christi Himmelfahrt, Donnerstag, 9. Mai 2013, 17 Uhr; 
St. Peter, Barockkirche 

 

Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)
Praeludium und Fuge g-Moll BWV 535
Triosonate Es-Dur BWV 525 Ohne Satzbezeichnung – Adagio – Allegro
Aus der Leipziger Originalhandschrift: Nun komm, der Heiden Heiland BWV 659
Präludium und Fuge c-Moll BWV 549

George Baker (geb. 1951) 
Berceuse-Paraphrase (1992) 
Variations on the hymn-tune »Rouen« (2010) 
(Commissioned by and dedicated to Stephen Tharp) 

 


Die Orgeln 

Hauptorgel: Klais, Bonn, 1967, 3 Manuale, 45 Register 

Chororgel: Späth, Ennetach, 1964, 2 Manuale, 19 Register 

Beide Orgeln zusammen sind von zwei elektrischen Spieltischen 
(Empore, Chorraum) spielbar.

Johann Sebastian Bach und George Baker 

 

Die Bach'schen Werke des heutigen Konzerts bieten einen Querschnitt aus der Fülle seines Schaffens. Zunächst das norddeutsch inspirierte Satzpaar g-Moll, in dessen endgültiger Version der junge Bach zu einem eigenen Stil findet und dessen früheste Spuren in der sogenannten »Möllerschen Handschrift« überliefert sind. Der Bachverehrer Johann Gottfried Möller war der spätere Besitzer dieser Tastenmusik-Sammlung mit Werken von Böhm, Reincken, Buxtehude, Kuhnau und einem Dutzend Clavierwerken von J. S. Bach. Der Schreiber ist Bachs älterer Bruder Johann Christoph (zwischen 1703 und 1706). Die erste Triosonate Es-Dur wiederum zeigt Bach auf der Höhe seiner Tastenkunst. Kontrapunktische Strenge paart sich mit Leichtigkeit (1. Satz), ausdrucksvolle Affektmusik (2. Satz) mit virtuoser Spielfreude (3. Satz). Der Orgelchoral zu Luthers Adventslied »Nun komm, der Heiden Heiland« aus dem Jahr 1524 ist in der Leipziger Originalhandschrift drei Mal enthalten. Die erste Fassung hat Albert Schweitzer emphatisch kommentiert: »Es ist eine Musik, die den Hörer in das Dunkel des Advents führt und ihm die Sterne des Himmels verheißungsvoll erstahlen lässt. Wunderbar ist das wonnigliche Melisma der beiden vorletzten Takte.« Mit Präludium und Fuge c-Moll BWV 549 begegnet uns wiederum ein vom norddeutschen Stil inspiriertes Werk mit einleitendem Pedalsolo, vollgriffigem Spiel und toccatenhaft-freiem Passagenwerk. 

 

Von Advent zu Weihnachten, und von Bach zu George Baker. Der in Dallas geborene Komponist und Organist (geb. 1951), der auch promovierter Mediziner ist, ging nach ersten Wettbewerbserfolgen nach Frankreich, um bei Marie-Claire Alain, Pierre Cochereau und Jean Langlais zu studieren. Preise errang er beim Wettbewerb der »American Guild of Organists« (Buffalo 1970), beim »Grand prix de Chartres« (1974) und beim Internationalen Improvisationswettbewerb Lyon 1979. Als erster Amerikaner hat er das komplette Orgelwerk Bachs eingespielt, außerdem u.a. die Orgelwerke von Louis Vierne und Darius Milhaud. 

 

Wiegenlieder für den Gotteslohn in der Krippe sind ein ergiebiges Thema sowohl der Vokal- als auch der Instrumentalmusik. Man denke nur an Lieder wie »Joseph, lieber Joseph mein« oder an die Arie »Schlafe, mein Liebster« in J. S. Bachs Weihnachtsoratorium. Instrumentale Beiträge stammen etwa von Olivier Messiaen mit der »Berceuse« aus seinen weihnachtlichen Klavierstücken. Auch George Bakers »Berceuse-Paraphrase« ist ein solches weihnachtliches Wiegenlied mit meditativem »Background« und solistischer Melodie, die gegen Ende zudem das englische Weihnachtslied »Away in a manger« aus dem 19. Jahrhundert aufgreift. Den »Variations on the hymn-tune ‚Rouen'« liegt eine Choralmelodie des 18. Jahrhunderts zugrunde. George Baker intensiviert sie zu einem Orgel-Feuerwerk mit französisch-symphonischen Einflüssen und höchster Virtuosität. Stephen Tharp hat das Werk am 13. September 2010 im Meyersen Sympony Center Dallas, USA, uraufgeführt. Dieses bislang längste Orgelwerk von Baker hat der heutige Solist auch in St. Sulpice, Paris, auf CD eingespielt.

Johannes Götz, St. Peter, spielt Bach und Pachelbel
Sonntag, 12. Mai 2013, 17 Uhr; St. Ulrich, Kath. Pfarrkirche 
St. Peter und Paul 


Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)
Präludium und Fuge g-Moll BWV 535

Johann Pachelbel (1653 – 1706)
Fantasia in Es
Orgelchoral »Komm, Gott, Schöpfer, Heiliger Geist«

Johann Sebastian Bach
Triosonate e-Moll BWV 528
Adagio –Andante – Un poco Allergo

Johann Pachelbel
Drei Magnificat-Fugen Quarti Toni

Johann Sebastian Bach
»Erbarm dich mein, o Herre Gott« BWV 721

Johann Pachelbel
Ciacona in f Orgelchoral
»Werde munter, mein Gemüthe«

Johann Sebastian Bach 
Passacaglia c-Moll BWV 582



Die Orgeln

Firma Metzler, Dietikon (CH)

2 Manuale, 23 Register, Baujahr 1989

Bach unter dem Einfluss von Johann Pachelbel


Zu den Komponisten, die den jungen Bach entscheidend geprägt haben, gehört auch Johann Pachelbel. In Nürnberg geboren und gestorben, umfasst sein Wirkungskreis doch auch Thüringen, wo die »Musicalisch-Bachische Familie« freundschaftliche Beziehung zu ihm unterhielt. 1677 war Pachelbel Hoforganist in Johann Sebastian Bachs Geburtsstadt Eisenach geworden. Drei Jahre später übernahm er das Patenamt für J. S. Bachs ältere Schwester Johanna Juditha. Vor allem aber hat Bachs ältester Bruder Johann Christoph drei Jahre lang bei Pachelbel in Erfurt studiert, bevor er nach dem Tod der Eltern den jüngeren Bruder Sebastian in seinen Haushalt aufnahm und ihm eine von Pachelbel nicht unbeeinflusste musikalische Ausbildung an den Tasteninstrumenten zuteil werden ließ. 


Die heute zu hörenden Werke Pachelbels zeigen die stilistische Breite seines Orgelschaffens. Die Fantasia in Es ist geprägt von typisch barockem Phantasieren im Sinne des Umher- schweifens im Tonraum. Der Komponist und Musikschriftsteller Johann Gottfried Walther, der mit Pachelbel befreundet war, beschreibt die Phantasie als den »Effekt eines guten Naturells, so auch teils ex tempore sich äußert, da einer nach seinem Sinn etwas spielet oder setzet, wie es ihm einfällt, ohne sich an gewisse Schranken und Beschaffenheit des Taktes zu binden.« 


»Komm, Gott, Schöpfer, Heiliger Geist« ist Martin Luthers deutsche Nachdichtung des berühmten Pfingsthymnus »Veni Creator Spiritus« von Rhabanus Maurus. Die typische »Pachelbel-Form« des Choralvorspiels lebt aus einer Vorimitation jeder Choralzeile und der anschließenden Durchführung des kompletten Chorals in vergrößerten Notenwerten. Das viersätzige Variationswerk zum Abendlied »Werde munter, mein Gemüte« entspricht en miniature der typisch mitteldeutschen Choralpartita, die auch der junge Bach als haus- musikalische Andachtsform gepflegt hat. In die sogenannte »Alternatim-Praxis« führen dann die insgesamt etwa 90 Magnificat-Fugen, die zur Zeit Pachelbels abwechselnd mit gregorianisch gesungenen Versen dieses marianischen Hochgesangs erklungen sind. Die Ciacona wiederum ist eine verkleinerte Passacaglia mit einem nur viertönigen fallenden Bassmotiv. 


Das Choralvorspiel »Erbarm dich mein, o Herre Gott« zum Lied von Erhard Hegenwald über den Psalm 51 ist singulär in Bachs Schaffen. Im Hintergrund stehen nicht clavieristische Techniken, sondern eher der Klang und die Spielweise eines Gambenconsorts: eine dreistimmige Begleitung mit expressiven Seufzerfiguren, über der die Melodie in doppelten Notenwerten erklingt. Ein ähnliches Tastenstück über »Aus tiefer Not schrei ich zu dir«, das Bach wohl gekannt hat, findet sich in einer der »Biblischen Sonaten« von Johann Kuhnau. 


Schließlich die große Passacaglia c-Moll von Bach mit ihren 20 Variationen. Das Thema begegnet uns bereits im »Christe eleison« einer Orgelmesse von André Raison aus dessen erstem »Livre d'Orgue«. Werke wie diese monumentale Passacaglia waren es, die Albert Schweitzer dazu veranlassten, in Bach einen musikalischen Architekten zu sehen, dessen kontrapunktischen Kosmos dann endgültig die Fuge über das Passacaglia-Thema offenbart.

Hae-Kyung Jung spielt Bach und Mendelssohn
Sonntag, 19. Mai 2013, 17 Uhr; Eichstetten, Evangelische Kirche 


Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)
Concerto a-Moll nach Antonio Vivaldi BWV 593
Ohne Satzbezeichnung – Adagio – Allegro

F. Mendelssohn Bartholdy (1809 – 1847)
Sonate d-Moll op. 65/6 über den Choral »Vater unser im Himmelreich«
Andante sostenuto / Allegro molto Fuga, Sostenuto e legato Finale (Andante)

Johann Sebastian Bach
Praeludium und Fuge g-Moll BWV 535
Aus den Leipziger Chorälen:
»Komm, Heiliger Geist, Herre Gott« BWV 652
»Komm, Gott, Schöpfer, heiliger Geist« BWV 667

F. Mendelssohn Bartholdy 
Praeludium und Fuge d-Moll op 37/3



Die Orgel

Historische Orgel von Johann Heinrich Schaefer, 1865/66, Sanierung 2011 

2 Manuale, 24 Register

Bach und sein Wiederentdecker Mendelssohn


Dass wir heute Bach kennen, verdanken wir nicht zuletzt Felix Mendelssohn, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu den wichtigsten Wiederentdeckern jenes »alten Prachtkerls« zählte. Wie ein Paukenschlag wirkte im Jahr 1829 Mendelssohns Wiederaufführung der Matthäuspassion des Leipziger Thomaskantors. Bachs Orgelwerke waren zwar nie gänzlich vergessen, doch bedurfte es mancher Anstrengung, sie dem breiten Publikum nahe zu bringen. Hierzu zählt Mendelssohns berühmtes Orgelkonzert im Jahr 1841, dessen Einnahmen für das Bach-Denkmal neben der Thomaskirche bestimmt waren. Zwei Eigenschaften zeichnen Mendelssohn insbesondere aus: Erstens war er ein musikalischer und vielleicht auch ein religiöser Weltbürger mit einem weiten Horizont, zweitens hatte er Sinn für die geschichtliche Entwicklung der Musik. Mit ihm wird »Alte Musik« zu einem großen Thema, ja zum faszinierenden Gegenstand der Aneignung. 


Das Thema »Bach und Mendelssohn« wird heute flankiert von zwei weiteren: Bach und Vivaldi – Mendelssohn und Luther. Das Concerto für zwei Violinen und Streicher von Antonio Vivaldi op. 3/8 (veröffentlicht Amsterdam 1711) ist die Vorlage für Bachs a-Moll- Konzert. In Weimar hat Bach etliche italienische Konzerte für die Orgel arrangiert, wobei er sich nicht nur das moderne Prinzip des Konzertierens nach "italienischem Gusto" zu eigen machte, sondern auch den Schwierigkeitsgrad des Orgelspiels erweitert hat. 


Gegen Ende seines Lebens hat Bach im Rückgriff auf Weimarer Orgelwerke eine Sammlung von Orgelchorälen angelegt, die wohl als sein kompositorisches Vermächtnis zum Thema des »großen Orgelchorals« – im Unterschied zu den Miniaturen des »Orgelbüchleins« – gelten darf. Diese »Leipziger Originalhandschrift« setzt überaus pfingstlich ein, nämlich mit zwei Orgelchorälen zu »Komm, Heiliger Geist, Herre Gott«, Luthers Bearbeitung der Antiphon »Veni Sancte Spiritus«. Wir hören die ausgedehnte zweite Bearbeitung mit verziertem Cantus firmus in der Oberstimme. Der zweite Pfingstchoral »Komm, Gott Schöpfer, heiliger Geist« hat sein Vorbild im Orgelbüchlein, wurde jedoch von Bach hier um eine zweite Strophe der Melodie im Pedal und um reichere Oberstimmen erweitert. Das Lied ist Luthers Übertragung der berühmten Pfingstsequenz »Veni Creator Spriritus«, die nach J. W. von Goethes Meinung »kraft- und geistreiche Menschen gewaltiglich anspricht«. 


Ein weiteres Lied des Reformators Martin Luther – nun über das Vaterunser – hören wir in der sechsten Orgelsonate von Mendelssohn. Der große Wiederentdecker Bachs, von jüdischer Herkunft und bereits als Kind protestantisch getauft, integriert vieles in dieser »Orgelsonate«: das wichtigste christliche Gebet in Martin Luthers Liedfassung, traditionelle Techniken des Choralvorspiels und der Choralvariation, aber in zeitgenössischer Klangsprache, die etwa im kurzen D-Dur-Epilog an Schubert erinnert. Alles in allem: Luthers Lied im Geiste Bachs und zugleich in der Tonsprache des 19. Jahrhunderts.

Ute Gremmel-Geuchen, Bernhard Klapprott, Gerhard Gnann 
Montag, 20. Mai 2013, 17 Uhr; Riegel, Katholische Pfarrkirche St. Martin 

Ute Gremmel-Geuchen, Bernhard Klapprott und Gerhard Gnann 

präsentieren die neue Bach-Gesamtaufnahme an Silbermann-Orgeln 

 

 

Bernhard Klapprott, Weimar
Präludium und Fuge A-Dur BWV 536
Aus dem »Orgelbüchlein«:
»Wenn wir in höchsten Nöten sein« BWV 641
»Jesu, meine Freude« BWV 610
Fantasia et Fuga c-Moll BWV 537

Ute Gremmel-Geuchen, Kempen
Partita super »Herr Christ, der einig Gottes Sohn« BWV
Anhang 77 »Komm, heiliger Geist« Emans 122
Präludium und Fuge g-Moll BWV 535

Gerhard Gnann, Staufen 
Choralpartita »Christ, der du bist der helle Tag« BWV 766 
Allabreve D-Dur BWV 589 
Fuge d-Moll BWV 539


Die Orgel 

Riegner & Friedrich, 1991, drei Manuale, 35 Register

Bach und sein Wiederentdecker Mendelssohn


Dass wir heute Bach kennen, verdanken wir nicht zuletzt Felix Mendelssohn, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu den wichtigsten Wiederentdeckern jenes »alten Prachtkerls« zählte. Wie ein Paukenschlag wirkte im Jahr 1829 Mendelssohns Wiederaufführung der Matthäuspassion des Leipziger Thomaskantors. Bachs Orgelwerke waren zwar nie gänzlich vergessen, doch bedurfte es mancher Anstrengung, sie dem breiten Publikum nahe zu bringen. Hierzu zählt Mendelssohns berühmtes Orgelkonzert im Jahr 1841, dessen Einnahmen für das Bach-Denkmal neben der Thomaskirche bestimmt waren. Zwei Eigenschaften zeichnen Mendelssohn insbesondere aus: Erstens war er ein musikalischer und vielleicht auch ein religiöser Weltbürger mit einem weiten Horizont, zweitens hatte er Sinn für die geschichtliche Entwicklung der Musik. Mit ihm wird »Alte Musik« zu einem großen Thema, ja zum faszinierenden Gegenstand der Aneignung. 


Das Thema »Bach und Mendelssohn« wird heute flankiert von zwei weiteren: Bach und Vivaldi – Mendelssohn und Luther. Das Concerto für zwei Violinen und Streicher von Antonio Vivaldi op. 3/8 (veröffentlicht Amsterdam 1711) ist die Vorlage für Bachs a-Moll- Konzert. In Weimar hat Bach etliche italienische Konzerte für die Orgel arrangiert, wobei er sich nicht nur das moderne Prinzip des Konzertierens nach "italienischem Gusto" zu eigen machte, sondern auch den Schwierigkeitsgrad des Orgelspiels erweitert hat. 


Gegen Ende seines Lebens hat Bach im Rückgriff auf Weimarer Orgelwerke eine Sammlung von Orgelchorälen angelegt, die wohl als sein kompositorisches Vermächtnis zum Thema des »großen Orgelchorals« – im Unterschied zu den Miniaturen des »Orgelbüchleins« – gelten darf. Diese »Leipziger Originalhandschrift« setzt überaus pfingstlich ein, nämlich mit zwei Orgelchorälen zu »Komm, Heiliger Geist, Herre Gott«, Luthers Bearbeitung der Antiphon »Veni Sancte Spiritus«. Wir hören die ausgedehnte zweite Bearbeitung mit verziertem Cantus firmus in der Oberstimme. Der zweite Pfingstchoral »Komm, Gott Schöpfer, heiliger Geist« hat sein Vorbild im Orgelbüchlein, wurde jedoch von Bach hier um eine zweite Strophe der Melodie im Pedal und um reichere Oberstimmen erweitert. Das Lied ist Luthers Übertragung der berühmten Pfingstsequenz »Veni Creator Spriritus«, die nach J. W. von Goethes Meinung »kraft- und geistreiche Menschen gewaltiglich anspricht«. 


Ein weiteres Lied des Reformators Martin Luther – nun über das Vaterunser – hören wir in der sechsten Orgelsonate von Mendelssohn. Der große Wiederentdecker Bachs, von jüdischer Herkunft und bereits als Kind protestantisch getauft, integriert vieles in dieser »Orgelsonate«: das wichtigste christliche Gebet in Martin Luthers Liedfassung, traditionelle Techniken des Choralvorspiels und der Choralvariation, aber in zeitgenössischer Klangsprache, die etwa im kurzen D-Dur-Epilog an Schubert erinnert. Alles in allem: Luthers Lied im Geiste Bachs und zugleich in der Tonsprache des 19. Jahrhunderts.

Karin Karle, Münstertal, spielt Bach und Alain
Sonntag, 26. Mai 2013, 17 Uhr; Freiburg, Evangelische Christuskirche 


Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)
Präludium C-Dur BWV 547,1
Choralvorspiel »Wir glauben all an einen Gott« BWV 740
Präludium und Fuge g-Moll BWV 535
Triosonate c-Moll BWV 526
Vivace – Largo – Allegro
Fuge C-Dur BWV 547,2

Jehan Alain (1911 – 1940) 
Trois danses 
1. Joies 
2. Deuils 
3. Luttes



Die Orgel

Orgelbau Rieger, 3 Manuale, 39 Register

Dreifaltigkeitschoral und Tanz


Die göttliche Dreieinigkeit mitsamt den Zahlen eins und drei war und ist für viele Komponisten eine kreative Inspirationsquelle. Am heutigen Sonntag Trinitatis erklingt ein Choralvorspiel zum Dreifaltigkeitslied »Wir glauben all an einen Gott, Vater, Sohn und heilgen Geist« des protestantischen Theologen Tobias Clausnitzer, der zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges in der Kurpfalz gewirkt hat. Die Autorschaft des Orgelwerkes ist allerdings ungesichert. Etliche Bachforscher schreiben es Bachs Schüler Johann Ludwig Krebs zu. Die ältere Bachforschung hörte eher eine Bach'sche Anlehnung an das Vorbild Buxtehude mit »eleganter Verzierung der Melodie« und »reizvoller harmonischer und klanglicher Ausstattung« sowie »einem echt Buxtehudeschen Passagenschwanze am Schlusse« (Philipp Spitta). Ganz gewiss von Bach stammt das wohl erst in Leipzig komponierte Satzpaar Präludium und Fuge C-Dur BWV 547 mit dem Präludium im 9/8-Takt, das den heutigen Bachteil rahmt. Ein Muster kontrapunktischer Kunst ist die C-Dur-Fuge, weil Bach den schon dichten vierstimmigen Satz gegen Ende durch das majestätisch vergrößerte Thema im Pedal zur Fünfstimmigkeit erweitert. Mathematische Ordnung, polyphone Sanglichkeit und rhetorische Ausdruckskunst gehen jene Einheit ein, die Albert Schweitzer besonders gerühmt hat: »Dieses Stück steht in seiner Art einzig da. Es ist fast, als ob Beethovenscher Geist sich darin ankündigte.« 


Jehan Alain wuchs in einer Familie auf, »in der man jeden Tag Bach sang und spielte«. Und doch lassen sich größere Gegensätze kaum denken: Der in festen Anstellungen etablierte J. S. Bach, der viele seiner Orgelwerke über Jahrzehnte hinweg immer wieder kritisch gesichtet und revidiert hat, und der früh vollendete, vor gut 100 Jahren geborene Jehan Alain, dem gerade einmal das Jahrzehnt von 1929 bis 1939 für seine kompositorische Tätigkeit vergönnt war. Doch es gibt auch Gemeinsamkeiten. So gilt die frühe Vertrautheit mit der Orgel im familiären Umfeld etwa auch für Alain, dessen Vater liebevoll an seiner Hausorgel baute und bastelte. Nach Studien am Pariser Conservatoire, u. a. bei Marcel Dupré und Paul Dukas, sowie schweren Schicksalsschlägen wie dem Tod seiner Schwester Marie-Odile 1937, kam Alain am 20. Juni 1940 im Zweiten Weltkrieg als Motorradfahrer ums Leben, nur wenige Stunden vor dem Waffenstillstand. 


Die drei Tänze sind in den Augen des Komponisten sein wichtigstes Orgelwerk. Ähnlich wie bei Bachs Schübler-Chorälen war die erste Idee ein orchestraler Gedanke. Allerdings konnte Alain die geplante symphonische Dichtung als Triptychon über Freude, Trauer und Kampf zunächst nicht ausarbeiten. Der mittlere Satz erklang erstmals, gespielt von Alain, am 17. Februar 1938 in einem gemeinsamen Orgelkonzert mit Olivier Messiaen, und zwar noch unter dem Titel »Danse funèbre«. Es ist eine musikalische Erinnerung an Alains Schwester Marie-Odile, die in den Bergen den verunglückten Bruder Olivier gerettet hat und dabei selbst ums Leben kam. Jehan Alain notierte: »Tanz und Trauer bilden keinen Gegensatz.«

Lydia Schimmer, Endingen, spielt Bach und Schumann
Fronleichnam, Donnerstag, 30. Mai 2013, 17 Uhr; Bötzingen, 
Evangelische Kirche 


Robert Schumann (1810 – 1856)
Skizzen für den Pedalflügel op. 58
I. Nicht schnell und sehr markiert
II. Nicht schnell und sehr markiert
III. Lebhaft
IV. Allegretto

Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)
Präludium und Fuge G-Dur BWV 541
Trio super »Herr Jesu Christ, dich zu uns wend« BWV 655

Robert Schumann
aus den »Sechs Fugen über den Namen BACH« op. 60
I. Langsam – Nach und nach schneller und stärker
V. Lebhaft

Johann Sebastian Bach
Präludium und Fuge g-Moll BWV 535
»Allein Gott in der Höh sei Ehr« BWV 663

Robert Schumann 
aus den »Sechs Fugen über den Namen BACH« op. 60 
III. Mit sanften Stimmen 
II. Lebhaft



Die Orgeln

Mühleisen, Leonberg, 1997. Zwei Manuale, 28 Register

Andächtige Choräle und romantische «Fugenpassion«


»Gehst du an einer Kirche vorbei und hörst Orgel darin spielen, so gehe hinein und höre zu. Wird es dir gar so wohl, dich selbst auf die Orgelbank setzen zu dürfen, so versuche deine kleinen Finger und staune vor dieser Allgewalt der Musik.« Diesen Rat erteilt uns Robert Schumann, der seine Seelen- und Schaffenskrise um 1844 auch durch das Studium Bach'scher Musik – das »Wohltemperierte Clavier« und die »Kunst der Fuge« – überwunden hat. Der am 24. April 1845 im Hause Schumann eingetroffene Pedalflügel diente nicht nur zum Orgelüben, sondern entfachte auch einen kompositorischen Reiz, was sich in Schumanns »Skizzen« für dieses Instrument niederschlägt. Und mit den »Sechs Fugen über den Namen BACH« reiht sich der Romantiker in die Schar jener ein, die den Namen B-a-c-h komponieren. In einem Brief von 1847 schreibt er: »An Fleiß und Mühe hat es meinerseits nicht gefehlt; an keiner meiner Compositionen habe ich so lange gefeilt und gearbeitet, sie des hohen Namens, den sie führt, nicht ganz unwürdig zu machen.« 


Zu Präludium und Fuge G-Dur BWV 541 gibt es eine Reinschrift Bachs, die er vielleicht für das Probespiel seines ältesten Sohnes Wilhelm Friedemann in der Dresdner Sophienkirche 1733 angefertigt hat. Auf einstimmiges Figurenwerk folgt im Präludium ein schwungvoller Konzertsatz. Wie sehr die Fuge sich an das Thema der Kantate »Ich hatte viel Bekümmernis« anlehnt, bleibt umstritten. Albert Schweitzer trifft den Charakter des Satzpaares recht gut: »Es liegt etwas wie sonniger Himmel über diesem Präludium und dieser Fuge. Sie predigen große, heitere Zuversicht, die die Sorge aus dem bekümmerten Herzen austreibt.« 


Die beiden Orgelchoräle des heutigen Konzerts stammen aus Bachs später Leipziger Originalhandschrift (»Achtzehn Choräle«). Robert Schumann hätte sie wohl als »wahrhaft poetisch« empfunden. Der Wilhelm II. von Sachsen-Weimar zugeschriebene Choral »Herr Jesu Christ, dich zu uns wend« wird schon in den ältesten Quellen als Lied bezeichnet, das »vor der Predigt zu singen« ist. Bachs Musik mit dem Cantus firmus in der Pedalstimme ist von »mystischer Andacht« (Albert Schweitzer) geprägt und könnte vor allem von den Zeilen »bereit das Herz zur Andacht fein« sowie »und schauen dich von Angesicht / in ewger Freud und sel'gem Licht« inspiriert sein. Das Lied »Allein Gott in der Höh sei Ehr« von Nikolaus Decius aus dem Jahr 1523 ist noch älter als Martin Luthers Lieder. Bach hat diese deutsche Gloria-Bearbeitung häufig für Orgel bearbeitet, allein drei Mal in der Leipziger Originalhandschrift. In BWV 663 liegt die reich und »cantabile« umspielte Melodie im Tenor. Besonders eindrucksvoll gestaltet Bach die vorletzte Zeile »Nun ist groß Fried ohn Unterlass« mittels rezitativisch-sprechender Geste und Tempovorschrift »Adagio«. Albert Schweitzers Kommentar lautet: »Der durch alle Not des Leben hindurchgegangene Meister lässt den Sang der Engel, die zu Bethlehem Frieden verkünden, an seinem Ohr vorüberziehen. Was sie melden, stellt er dar, wie er es in seinem Dasein erfahren hat, als eine selige Ruhe, die über alles Leid hinausträgt und die Menschen jetzt schon Ewigkeit kosten lässt.«